28. June 2018
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Was wir lesen #5
3 min Lesezeit
Artikel und Texte, alt und neu, die uns in letzter Zeit unter die Augen gekommen sind:
- Waren- und Geldströme—zwei Seiten der gleichen Medaille? Nicht unbedingt. Adam Tooze, ein britischer Historiker mit deutschen Wurzeln, zeigt anschaulich, dass man eine Version der Weltwirtschaft sieht, wenn man mit der Finanzbrille schaut, aber eine ganz andere, wenn man durch die Handelsbrille guckt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 rückt in ein neues Licht, wenn dieser Perspektivenwandel klar wird: anstatt von chinesischen Exporten rückt das transatlantische Finanzsystem—und vor allem sein plötzliches Einfrieren im Herbst 2008—ins Zentrum. Direkte Folgen: gute Finanzpolitik, mehr als Handelspolitik, zählt, um die nächste Krise zu verhindern. Und Trumps Handelskrieg muss nicht nur nach seinen Handels-, sondern vor allem nach seinen Finanzeffekten analysiert werden. (Das Dezernat wartet im Übrigen gespannt auf Toozes Buch zum Thema Finanzkrise, das Anfang August erscheinen wird).
- Apropos Finanzströme: einige Beobachter sehen die ersten Warnzeichen der nächsten Krise am Horizont. Der Blog Zerohedge sowie die Financial Times weisen darauf hin, dass 16 der knapp 40 weltweit am wichtigsten Finanzinstitute schwächeln: ihre Aktienkurse sind teils um mehr als 20% gefallen seit Jahresbeginn und die Preise von Versicherungen (Credit Default Swaps, oder CDS) gegen die Insolvenz dieser Institute schießen in die Höhe (dies zeigt, dass Trader und Versicherer von einem ansteigenden Insolvenzrisiko ausgehen). Teil des Problems ist, dass viele dieser Finanzinstitute von Dollardarlehen abhängig sind, die teurer wurden als die US Federal Reserve vor zwei Wochen den Leitzins anhob, von 1.5% bis 1.75% auf 1.75% bis 2%. Falls Finanzinstitute die dadurch angestiegenen Kosten nicht weitergeben können, kommen sie unter Druck; sollten sie die Kosten (z.B. durch höhere Zinsen) weitergeben, könnte es zu Problemen in der Realwirtschaft kommen. In beiden Fällen verschlechtert sich der wirtschaftliche Ausblick.
- Weg von dunklen Wolken am Horizont, ein Film der Bundesbank, der Geldentstehung verständlich erklärt. Die Unterscheidung Buchgeld/Bargeld, die Schaffung von Buchgeld durch Banken, sowie die Mechanismen, die erklären warum Banken nicht mehr oder weniger Buchgeld schaffen, als sie es tun. Gut geeignet als Lehr- oder Erklärmaterial. Die Arbeitsgruppe Nachhaltiges Geld geht der Frage ‚Wo kommt das Geld her?‘ in Slide Form
- Wie im Film der Bundesbank erklärt, hängt Geldschöpfung eng mit Investitionen zusammen. In diesem Kontext ist Kai Eicker-Wolfs Artikel zum Investitionsvolumen und -bedarf an deutschen Schulen interessant: inflationsbereinigt sind Investitionen seit zwanzig Jahren rückläufig, trotz steigendem Investitionsbedarf.
- Zu guter Letzt, eine Serie in VoxEU zum Thema Eurozonenreform. Diese Beiträge bewerten und entwickeln verschiedene Optionen für Reformen der Eurozone. Bénassy-Quéré et al. schlagen Reformen vor, die sie für politisch gangbar halten und gleichzeitig die wichtigsten Schwächen der Eurozone beseitigen; Andor et al. versuchen, sich von der Sache leiten zu lassen und politische Überlegungen beiseite zu lassen; während Papaconstantinou verschiedene Vorschläge analysiert, indem er untersucht, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 sich abgespielt hätte falls die jeweiligen Vorschläge schon vor der Krise umgesetzt gewesen wären. Insgesamt eine bereichernde Serie, die hilfreich sein wird (zusammen mit unserer Erklärung der Meseberg Erklärung, die offizielle deutsch-französische Regierungsposition zur Eurozonenreform), die Ergebnisse des kommenden EU Ratsgipfel am 28. und 29. Juni zu interpretieren.
Picture credit: Bank of England, Blickpunkt WiSo, Deutsche Bundesbank, Wissenschaftliche Arbeitsgruppe nachhaltiges Geld
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