Es gibt keine richtige Geldpolitik in der falschen

Die europäischen Fiskalregeln und auch das Verbot für Primärmarktankäufe durch die Zentralbanken sind nur zu verstehen, wenn man die historischen Begleittexte zur Entstehung der Währungsunion liest und den damaligen Stand der geldpolitischen Debatte versteht. Wir haben das für Euch getan. Das Ergebnis zeigt: Aus den europäischen Verträgen kann kein Verbot von Sekundärmarktankäufen zur Begrenzung geldpolitisch unerwünschter Zinsaufschläge durch die EZB abgeleitet werden. Im Gegenteil gibt es sehr gute Gründe, aktiv zu werden.

Der leise Tod der Geldmengensteuerung: Ende eines Irrwegs

Preise hängen von Angebot und Nachfrage ab. Das Preisniveau der gesamten Volkwirtschaft hängt wiederum vom gesamtwirtschaftlichen Angebot und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab. Über lange Zeit haben Zentralbanken jedoch kommuniziert, die Geldmenge sei ausschlaggebend für die Preisentwicklung. Diese Kommunikationslinie wurde nie wirklich korrigiert, was noch heute zu Irritationen in der Wirtschaftsberichterstattung führt. Im Sinne einer modernen Fehlerkultur würde es der Bundesbank gut zu Gesicht stehen, ihre geldpolitische Kommunikation aufzuarbeiten und klarzustellen, wie Geldpolitik tatsächlich wirkt: Nämlich über kurz- und langfristige Zinsen.

Investitionen: Besser spät als nie, aber auch besser günstig als teuer

In seiner Rede zur Lage der Nation erklärte der damalige US-Präsident John F. Kennedy im Januar 1962: “The best time to repair the roof is when the sun is shining” („die beste Zeit, um das Dach zu reparieren, ist wenn die Sonne scheint“)[1]. Kaum jemand wird Kennedy an dieser Stelle widersprechen und bevorzugt bei Regen das Dach reparieren wollen. Aber obwohl Kennedys Plädoyer für eine vorausschauende Politik, die günstige Gelgenheiten am Schopf ergreift, grundsätzlich von fast allen geteilt werden dürfte, kann es doch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon geben, was vorausschauende Politik konkret in der Umsetzung bedeutet.

Zinsaufschläge sind das Ergebnis (geld-)politischer Entscheidungen

In der Debatte um Zinsaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedsstaaten wird gerne die These vorgetragen, Zinsaufschläge seien eine natürliche Antwort des Marktes auf exzessive Verschuldung und ein unverzichtbares Disziplinierungsinstrument. Wir zeigen, dass Zinsaufschläge in monetär souveränen Staaten – unabhängig vom Schuldenstand – nicht existieren und einer soliden Haushaltsplanung im Weg stehen. Auch in der Eurozone sind sie nicht etwa die logische Konsequenz eines 1992 in Maastricht durchdeklinierten Ordnungsrahmens. Ohne eine kaum beachtete und 2005 getroffene EZB-Ratsentscheidung zur Änderung des geldpolitischen Handlungsrahmens hätten Zinsaufschläge wohlmöglich nie die Rolle in der fiskalpolitischen Koordinierung gespielt, die ihnen manche nun zuschreiben. Schließlich plädieren wir dafür, gegenüber unseren europäischen Partnern wieder auf Vertrauen und gemeinsame Regeln zu setzen und die Abschreckungslogik für Konflikte über fundamentale Wertedifferenzen zu reservieren.

Überstürzte Zinserhöhungen treffen vor allem die Jungen

Zinserhöhungen kommen mit Wohlstandseinbußen und treffen junge Menschen am härtesten. Wenn in der Debatte um die Zinspolitik vor allem diejenigen zu Wort kommen, die kein Arbeitsplatzrisiko haben, aber von niedrigeren Löhnen für junge Menschen sogar profitieren würden, dann droht eine schiefe Debatte. Anreize sind bei ökonomischen Fragestellungen immer relevant – auch in der Frage, wie vorsichtig die Geldpolitik agieren sollte, wenn die Kosten der Vorsicht nicht von allen in gleicher Weise getragen werden müssen.

Der Zinshammer – Wie Zentralbanken Inflation bekämpfen

Es wurde zuletzt wiederholt gefordert, dass die Europäische Zentralbank als Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise die Zinsen erhöhen solle. Um zu evaluieren, ob eine solche Zinserhöhung auf Basis des heutigen Informationsstands die beste Handlungsoption darstellt, ist es hilfreich, sich die Wirkungsweise der Geldpolitik etwas genauer anzusehen. Das tun wir hier und skizzieren, welche Implikationen die Entscheidungen, die Zinsen zu erhöhen oder am bisherigen Kurs festzuhalten, mit sich bringen können. Sollten Sie, solltet Ihr eine Meinung dazu haben, ob die EZB die Zinsen (nicht) erhöhen soll, freuen wir uns über Zuschriften an info@dezernatzukunft.org.     

Bitcoinhandel ist nichts für Sparkassen

Laut eines Berichts des Blogs FinanceFwd arbeitet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband aktuell an einer Möglichkeit, Sparkassenkunden den Erwerb von Kryptowährungen wie zum Beispiel Bitcoin anzubieten. Das ist erstaunlich: Kryptowährungen in ihrer heutigen Form sind keine Währungen im eigentlichen Sinn und tragen wesentliche Elemente von Schneeballsystemen. Die Vermittlung von Kryptowährungen kann nicht zur Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten beitragen, sie fördert nicht die Erziehung junger Menschen zu einem eigenverantwortlichen wirtschaftlichen Verhalten und sie dient nicht dem Gemeinwohl. Aus diesen Gründen wäre die Vermittlung von Kryptowährungen, wie sie laut FinanceFwd aktuell im DSGV eruiert wird, nicht mit dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen vereinbar.

Anstehende Aufgaben für Zentralbanken

Nachdem die Inflationsrate in Deutschland auf über 5% angestiegen ist, mehren sich die Stimmen, die verlangen, dass das Eurosystem (EZB und nationale Zentralbanken) die Zinsen erhöht. Im Folgenden argumentiere ich, dass das Eurosystem in der Tat auf die gestiegenen Preise reagieren sollte. Aber nicht mit einer Zinserhöhung, sondern mit einer Kommunikationsoffensive, die noch deutlicher macht, in welchem Fall Zinspolitik ein effektives Gegenmittel gegen steigende Preise ist und wann nicht. Eine solche Kommunikationsoffensive könnte sowohl ihre Legitimität stärken als auch zu stabilen Preisen, mehr Wohlstand und Arbeitsplätzen beitragen.

Wenn Zentralbanken Zinsen kontrollieren – Bericht vom australischen Feldversuch

Am 19. März 2020 legte die australische Zentralbank fest, dass die laufende Verzinsung (Rendite) auf australische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren fortan nicht mehr über 0,25% p. a. liegen sollte. Am 29. Oktober 2021 stellte die Zentralbank die Vorgabe recht abrupt ein. Der australische Feldversuch bietet dabei einige spannende Einblicke in die Durchführung der Geldpolitik und in Staatsanleihemärkte.

Nichts ist, wie es scheint – Für einen präziseren Blick auf Preissteigerungen

Preissteigerung ist nicht gleich Preissteigerung – obwohl Preissteigerungen immer zu Kaufkraftverlusten führen, können sie unterschiedliche Ursachen haben und müssen je nach Ursache bekämpft werden. Angebotsseitige Preissteigerungen mit Zinserhöhungen bekämpfen zu wollen wäre wie der Einsatz von Antibiotika gegen virenbedingte Erkrankungen: Nicht nur unnütz, sondern schädlich. Es ist die Aufgabe von Zentralbankern, Politikern, Ökonomen und Journalisten, einen präziseren Blick auf das Datenmaterial zu werfen, um Politikfehler zu vermeiden.

Mind the coin

Evergrande bietet Anlass für einen spannenden Blick auf das Wirtschafts- und Wachstumsmodell Chinas. Wir haben zwei Wochen lang alles durchgelesen und angehört, was uns dazu unter die Finger kam. Hier zeigen wir, warum uns der chinesische Immobilienmarkt noch eine Weile begleiten wird.

Die Preise und die Pandemie

„Inflationgespenst“, „Geldfresser“, „Mega-Gau“ – an Panikmache vor Inflation mangelt es derzeit nicht. Im Dezernatsbrief haben wir vor kurzem schon eine Einordnung zur aktuellen Preisentwicklung vorgenommen. Für alle glücklichen Besitzerinnen eines Goldesels erklären wir hier auch den Einfluss der Geldpolitik auf Vermögenspreise.

Den ganz Eiligen unter euch zeigen wir hier in fünf Charts und sechs Fragen das Wichtigste zum Thema Inflation, wo die aktuelle Preisentwicklung herrührt und warum deshalb niemand in Panik geraten sollte.

Interview with Michele Fratianni

The relationship between fiscal and monetary authorities is on many lips these days. Commentators refer to “monetary dominance” if the central bank has full control on the money supply, while “fiscal dominance” is described as a regime in which money supply is determined by fiscal policy decisions.

Berlin Calling – Unser Newsletter zur Bundestagswahl

Wie oft kurz vor Wahlen der Fall, war die Politik in den letzten Tagen besonders kreativ in ihren Vorschlägen. Ein Lieblingsthema diesmal: Die Inflation. Christian Lindner sprach sich – kurz nachdem er sich für eine Klimapolitik ausgesprochen hatte, die vor allem auf steigende CO2-Preise setzt – dafür aus, dass jede staatlich bedingte Verteuerung des Alltags an anderer Stelle kompensiert werden müsse.

Diktatur der Finanzminister oder doch nur ein Rundungsfehler?

Es geht um die Zentralbankunabhängigkeit: ZEW-Autoren meinen in einer Studie zum Ergebnis zu kommen, „dass die Interessen der nationalen Finanzminister mit am Tisch des EZB-Rats vertreten sind, wenn dort die Entscheidungen über die Geldpolitik fallen“. So lässt sich Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“, in der des Instituts zur Veröffentlichung der Studie zitieren. Wir zeigen jedoch, dass die Ergebnisse des ZEW stark von methodischen Entscheidungen der Autoren abhängen, die auch anders getroffen werden könnten. Die Aussage Prof. Dr. Heinemanns lässt sich also nicht wissenschaftlich begründen.

Finanzmärkte sind keine Luftballons – Wie sich die Geldpolitik auf Vermögenspreise auswirkt

Dieser Dezernatsbrief stellt die Frage, wie nachhaltige von nicht-nachhaltigen Investitionen unterschieden werden können. Die Antwort: es ist schwierig. Am vielversprechendsten ist ein systemischer Ansatz, der für fünf zentrale Wirtschaftssysteme Transformationsflugbahnen vorzeichnet, an denen die Nachhaltigkeit einzelner Investitionen anschließend festgemacht werden kann.

Inflationsrate in Deutschland bei 3,8% – Ist die Preisstabilität in Gefahr?

Die Inflationszahlen für Juli wurden mit voraussichtlich deutlich über 2% angegeben. Heißt das, dass die Preisstabilität in Gefahr ist? Kommt jetzt die große Inflation? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im neuesten Dezernatsbrief. Am Ende findet sich die übliche Zusammenfassung was sonst geschehen ist und geschrieben bzw. gesagt wurde vom und rund ums Dezernat.

Kommt jetzt die große Inflation?

Am Mittwoch bestätigte Eurostat die Januar-Inflationsmessung für den Euro-Raum. Die Zahlen hatten für Irritation gesorgt: Nach negativen Zahlen im vergangenen Jahr fielen die Teuerungsraten für die Bundesrepublik mit 1,6% und für die Eurozone mit 0,9%[1] höher aus als erwartet. In diesem Dezernatsbrief erklären wir, wieso diese Zahlen kein Grund zur Sorge sind — solange wir Inflation klug analysieren und bereit … Read More

Planungssicherheit für Finanzpolitik: eine Einführung zur fiskal-geldpolitischen Koordination

MATHIS RICHTMANN, MAX KRAHÉ Zinsen können sich sprunghaft ändern, so heißt es oft, mit niedrigen Zinsen könne der Staat also nicht planen. Aber stimmt das? Historisch gesehen nicht unbedingt. Dieser Artikel erklärt, wie Zentralbanken öffentliche Zinsniveaus beeinflussen können – und in der Vergangenheit beeinflusst haben – und damit Planungssicherheit für Finanzpolitik schaffen. Ob durch Anleihekäufe, Regulierung, oder Garantien, ob mit … Read More

Vom Urteil zur Anhörung: ein Leitfaden zu Jens Weidmanns Auftritt im Finanzausschuss des Bundestags

MATHIS RICHTMANN, MAX KRAHÉ Anfang Mai stellte das Bundesverfassungsgericht in einem intensiv diskutierten Urteil in Frage, ob die Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) verhältnis- und damit rechtmäßig seien. Neben seinen europapolitischen Folgen löste das Urteil eine Debatte aus darüber, wie ein angemessenes Verhältnis zwischen unabhängigen Zentralbanken und der parlamentarischen Demokratie auszusehen habe. Als Reaktion auf diese Diskussion wird der Präsident … Read More

Redefining Price Stability

COVID-induced uncertainty in money and capital markets has led to large-scale central bank interventions in these markets. While quantitative and qualitative changes have been made to particular tools, by and large central banks have “followed the 2008 playbook”. However, these tools have contributed to increased leverage throughout the system, and have either caused further climate risks and entrenched inequality, or … Read More

Critical macro-finance: Eine Einführung

SAHIL JAI DUTTA, RUBEN KREMERS, FABIAN PAPE, JOHANNES PETRY Der folgende Gastbeitrag basiert auf der Einleitung zu dem Forum ‚Critical Macro-Finance‘, veröffentlicht im Journal Finance & Society. Seit Beginn der COVID-19 Krise im März 2020 hat die US-Zentralbank (Federal Reserve; Fed), Maßnahmen von historischem Ausmaß ergriffen. Die Nervosität über die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie löste an den Finanzmärkten eine weltweite … Read More

Stark in den Kulturkampf: die geldpolitische Debatte hat einen anderen Ton verdient

FLORIAN KERN Die Welt veröffentlichte am 20. Juni einen Brandbrief dreier deutscher Ökonomen gegen die Politik und die Leitlinien der Europäischen Zentralbank. Doch dieser Brandbrief ist eher Symptom eines für unsere Zeit typischen Kulturkampfes als eine an offenem Diskurs interessierte Kritik. Unsere öffentliche Debatte hat einen anderen Ton verdient. Jürgen Stark, Thomas Mayer und Gunther Schnabl werfen der EZB in … Read More

Preface

After Corona we will rebuild our societies. Here we explain how these 14 ideas build towards democratising central banking, a capable state and a resilient society.

Resilient Global Finance

Since the collapse of the Bretton Woods system, the world economy has been organized around the US dollar. The adverse domestic and international effects of this monetary system include global financial instability, cycles of global leveraging, destabilizing trade imbalances, and elite capture. As the provider of a national currency that is also the international reserve currency, the US faces a … Read More

Reducing Leverage

The Corona-induced market sell-off in March 2020 reinforced an old lesson: high leverage, and in particular high debt-to-equity ratios, makes for brittle balance sheets. This had become clear in 2008, too, but post-crisis deleveraging measures concentrated on banks, leaving corporate leverage to increase over the last decade. To increase economy-wide financial resilience, not just banks but all economic agents could … Read More

Democratically Embedded Central Banking

DEZERNAT ZUKUNFT During the immediate Corona crisis, the European Central Bank was able to act quickly and decisively to stabilise financial markets, including those for government bonds. Its formal independence from democratic decision-making made its response faster than any other EU institution. However, monetary policy is inherently political, with important distributional and power-political consequences, as the German Constitutional Court’s recent … Read More

Democratically Embedded Central Banking

During the immediate Corona crisis, the European Central Bank was able to act quickly and decisively to stabilise financial markets, including those for government bonds. Its formal independence from democratic decision-making made its response faster than any other EU institution. However, monetary policy is inherently political, with important distributional and power-political consequences, as the German Constitutional Court’s recent ruling in … Read More

Boosting Monetary Policy Capacity

State-backed emergency lending schemes have been among the most important tools for supporting small and medium enterprises during the Corona crisis. Examples include PPP in the US, CBILS in the UK, KfW-guaranteed loans in Germany, or BPI-guaranteed loans in France. However, even though most states quickly moved to guarantee 100% of eligible loans, banks often remained hesitant to extend new credit. Similar problems of non-lending in the aftermath of 2008 were addressed … Read More