Spreads auf Staatsanleihezinsen, der EZB-Sicherheitenrahmen und Peripherieprämien in der Eurozone
In diesem Beitrag wird die Entwicklung der Spreads auf Staatsanleihezinsen in der Eurozone vor der Finanzkrise untersucht. Während die Renditespannen auf den europäischen Staatsanleihemärkten bis Mitte der 2000er Jahre nahe bei null lagen, haben sie sich seitdem in vielen Mitgliedstaaten kontinuierlich ausgeweitet. Wir verwenden einen Differenz-in-Differenzen-Ansatz, um dieses Phänomen zu analysieren. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass der Wechsel des Eurosystems von der unbedingten zur bedingten Notenbankfähigkeit von Staatsanleihen im Rahmen der Reform des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses im Jahr 2005 die institutionelle Veränderung war, die das Entstehen von Spreads bei Staatsanleihen im Euroraum auslöste. Die bedingte Notenbankfähigkeit wird vor allem durch eine Peripherieprämie wirksam: Von Ländern, deren Konjunkturzyklen am stärksten vom durchschnittlichen Konjunkturzyklus der Eurozone abweichen, wurden höhere Renditen verlangt. Im Gegensatz dazu entstanden die Spreads nicht als Reaktion auf ungünstige makroökonomische und fiskalische Fundamentaldaten.
Warum haben wir dieses Papier geschrieben?
Eine Lehre, die wir aus unseren früheren Arbeiten zu den EU-Fiskalregeln gezogen haben, ist, dass die Zinssätze für die Staatsverschuldung eine zentrale Rolle spielen. Erstens sind die Zinszahlungen und die damit verbundenen länderspezifischen Risikozuschläge ein wichtiger Treiber für Haushaltsdefizite und die Entwicklung der Schuldenquoten in vielen Mitgliedstaaten. Da der Währungsunion ein explizites Instrument zur Sicherstellung der Haushaltsdisziplin auf nationaler Ebene fehlt, bedient sie sich zweitens der Spreads, die Marktsignale an die Regierungen senden, um Anreize für eine umsichtige Haushaltspolitik zu schaffen. Drittens sollen nach dem Gesetzesentwurf der EU-Kommission vom April 2023 die Markterwartungen bezüglich der Spreads von Staatsanleihen als Input für die vorgesehenen Schuldentragfähigkeitsanalysen (DSA) verwendet werden. Somit haben Spreads einen wichtigen wirtschaftlichen und regulatorischen Einfluss, was es notwendig macht, ein gutes Verständnis ihrer Triebkräfte und Ursprünge zu entwickeln. Wenn wir mehr über ihre Beziehung zu makroökonomischen Variablen und dem institutionellen Aufbau der Eurozone wüssten, könnten wir konstruktive Vorschläge machen, wie wir mit ihnen im fiskalischen und monetären Rahmen umgehen können.
Was haben wir gelernt?
Wir haben gelernt, dass die gängige Ansicht, dass Spreads auf Staatsanleihezinsen in erster Linie Unterschiede in den makroökonomischen und fiskalischen Fundamentaldaten wie Schuldenstand, BIP-Wachstumsraten, Haushaltsdefizite usw. widerspiegeln, zu kurz gegriffen ist. Im Gegensatz dazu stellen wir fest, dass die Renditenaufschläge als Reaktion auf den neuen Sicherheitenrahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2005 – das so genannte einheitliche Sicherheitenverzeichnis – entstanden sind, der bedeutete, dass Staatsanleihen von nun an nicht mehr bedingungslos als Sicherheiten zugelassen waren, sondern Zulassungskriterien erfüllen mussten. Die bedingte Eignung stellte den ausfallrisikofreien Status von Staatsanleihen der Eurozone in Frage.
Hinsichtlich der Kanäle, über die die Wirkung der bedingten Notenbankfähigkeit zustande kam, lernten wir, dass die Märkte begannen, Prämien von Ländern zu verlangen, deren Konjunkturzyklen deutlich vom durchschnittlichen Zyklus der Eurozone abweichen. Da diese Mitgliedsstaaten üblicherweise unter dem Begriff Peripherie zusammengefasst werden, im Gegensatz zum stärker angepassten Kern der Eurozone, bezeichnen wir diesen Kanal als Peripherieprämie. Im Gegensatz dazu kam es in Ländern, die vor dem Ereignis eine ungünstige makroökonomische oder fiskalische Lage aufwiesen, nicht zu Spreads.
In der anschließenden Vorkrisenzeit haben jedoch fundamentale Variablen die Entwicklung der Renditenaufschläge für Staatsanleihen im Laufe der Zeit beeinflusst. Wir beobachten, dass die Effekte nach dem Ereignis an Bedeutung gewinnen, was mit früheren Studien übereinstimmt, die sich auf spätere Zeiträume konzentrieren. Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass fundamentale Variablen zu relevanten Determinanten der Spreads von Staatsanleihen geworden sind, die von der Einführung bedingter Sicherheitenstandards abhängen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unsere wichtigste Erkenntnis ist, dass die Renditenaufschläge für Staatsanleihen in der Eurozone ihre Existenz einem institutionellen Wandel und Unterschieden in den Konkunkturzyklen zwischen den Mitgliedstaaten verdanken und nicht den Unterschieden in den grundlegenden makroökonomischen und fiskalischen Informationen. Institutionen sind also wichtig, und wenn man bedenkt, wie Spreads den Schuldenabbau erschweren, indem sie erhebliche wirtschaftliche Kosten verursachen, sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass die Eurozone einen vernünftigeren Umgang mit ihnen pflegen sollte.
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