Die deutsche Schuldenquote liegt bei 47 Prozent
Florian Schuster, Philippa Sigl-Glöckner
Download PDFDie Schuldenquote, auf der die 60-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrags basiert, ist blind gegenüber der Aktivseite der Staatsbilanz und misst ausschließlich die Bruttoschulden des Staates. Für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen relevant ist jedoch nur der Teil, der nicht durch – zumeist liquides oder zum Liquiditätsmanagement eingesetztes – Finanzvermögen gedeckt ist. Sie steht damit im Widerspruch zur deutschen Schuldenbremse, die ihre Vorgaben für die Kreditaufnahme um finanzielle Transaktionen bereinigt. Wir schlagen vor, die Brutto- durch die Nettoschuldenquote abzulösen, da letztere das in Schuldtiteln angelegte staatliche Vermögen berücksichtigt. Der Indikator ist finanzwissenschaftlich plausibler als die herkömmliche Bruttoschuldenquote, weil er nur tatsächlich für Schuldentragfähigkeit relevante Verbindlichkeiten betrachtet, und eher im Einklang mit der deutschen Schuldenbremse ist. Die Nettoschuldenquote lag 2023 bei 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Warum haben wir das Papier geschrieben?
Staatliche Kreditaufnahme ist in Deutschland und vielen anderen Ländern in Europa etwas Schlechtes – zumindest denken so viele Menschen, auch in der Politik. Es verwundert deshalb nicht, dass die Politik, wenn möglich, die Aufnahme neuer Kredite vermeidet – zuletzt zur Finanzierung der Kapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn, für die der Bund Aktien verkaufte. Diese Vermeidungsstrategie macht Sinn, wenn man bedenkt, dass nach den europäischen Schuldenregeln der Bruttoschuldenstand bei maximal 60 Prozent des BIP liegen darf. Der wiederum wächst mit jedem Kredit, egal für welchen Zweck er aufgenommen wurde. Das ist finanzwissenschaftlich nicht sinnvoll, denn der Staat hält gleichzeitig erhebliches finanzielles Vermögen, dass zumindest einen Teil dieser Schulden deckt. Die Schuldenbremse berücksichtigt dieses Vermögen im Gegensatz zur Schuldenquote. Diese Inkonsistenz wollen wir mit diesem Papier auflösen und schlagen daher vor, die Brutto- durch die Nettoschuldenquote, welche auch das staatliche Finanzvermögen betrachtet, abzulösen.
Was haben wir gelernt?
Die wichtigste Erkenntnis aus unserer Analyse ist, dass die deutsche Schuldenquote – plausibel gemessen – nur bei 47 Prozent des BIP liegt, und damit deutlich unter der Maastricht-Grenze von 60 Prozent, und noch deutlicher unter der aktuellen Bruttoschuldenquote von 65 Prozent. Der beträchtliche Unterschied rührt daher, dass der Bund in großem Umfang über liquide Guthaben bei der Bundesbank oder anderen Kreditinstituten sowie Darlehensforderungen verfügt. Diese Assets hält er u. a. aus Gründen des Liquiditätsmanagements oder für politische Ziele. Sie senken die tatsächliche Schuldenlast des Staates und sollten bei der Betrachtung der Schuldentragfähigkeit deswegen ausgenommen werden.
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