Der EuroMat: KI-gestützte europäische Finanzpolitik
Max Krahé, Philippa Sigl-Glöckner
Gute Finanzpolitik ist hochkomplex. Was bereits auf nationaler Ebene gilt, gilt doppelt für Europa. Während sich die Schuldenbremse auf 38 Seiten erklären lässt, benötigt der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) knappe 350 Seiten an Gesetzestexten, Anwendungserläuterungen und numerischen Beispielen zur Umsetzung.
Diese 350 Seiten werden teils als überbordende Bürokratie verstanden. Doch erkennt man die Diversität der 27 EU-Mitgliedsstaaten und ihrer Herausforderungen an, ist es nicht weiter verwunderlich, dass “one size fits all” Regeln als unzureichend empfunden wurden. Spanier denken rational, während Deutsche ihre Erwartungen eher schrittweise (oder gar schildkrötig) anpassen (EU-Kommission, 2014). Komplexe Regeln bilden komplexe Realitäten ab.
Um die Komplexität der Regeln handhabbar zu machen, haben wir im letzten Jahr ein “Moonshot”-Projekt verfolgt: Ist es, basierend auf den neuesten Erkenntnissen der Computerlinguistik und des Maschinellen Lernens möglich, den finalen Schritt zu gehen und das bereits stark mathematisierte europäische Regelwerk vollständig in einen selbst lernenden Algorithmus zu übersetzen? Können zum Beispiel länderspezifische, die Schuldenquote minimierende Finanzpläne mittels künstlicher Intelligenz auf rein objektiver Basis aufgestellt werden? Kann es gelingen, mittels Long Short Term (LSTM) Networks und Reinforcement Learning Haushaltsdokumente automatisch auf ihre Nachhaltigkeit und SWP-Konformität hin zu analysieren, um so menschliches Irren hinter sich zu lassen?
Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Unser EuroMat Algorithmus wurde auf Grundlage der Big Data Portale des BMFs und BMWKs trainiert, wobei erst die neuerdings veröffentlichten Berechnungen zur deutschen Konjunkturbereinigung die Implementierung einer effizienten Verlustfunktion und damit Ultra Deep Learning ermöglichten. So ist der Algorithmus nun in der Lage, einen auf drei Nachkommastellen genauen länderspezifischen Budgetsaldo zu kalkulieren, der die jeweilige nationale Schuldenquote auf 60% zurückführt. Dank integrierter Konjunktur-Nowcasts (siehe Destatis) können Ergänzungs- und Nachtragshaushalte flexibel und hochfrequent auf den Weg gebracht werden. Bei politischen Blockaden generiert er Anträge auf Änderung des deutschen, bzw. europäischen Regelwerks, die auf Wunsch automatisch in den Verwaltungs- oder legislativen Prozess eingebracht werden können.
Nicht alle Hürden konnten wir in diesem ersten Entwicklungsjahr nehmen. Die tatsächliche Schuldenquote muss weiterhin unter Zurateziehung des Mondkalenders berechnet werden. Bis es gelingt, Deutschland von der Notwendigkeit staatlicher Bilanzen zu überzeugen (Bundesbank, 2018), gibt es wenig Aussichten für das Überwinden astrologischer Ansätze in diesem Bereich.
Ebenso konnte trotz Anwendung neuester statistischer Filtertechniken die natürliche Arbeitsneigung der Frau noch nicht stabil geschätzt werden, sodass weiterhin keine zuverlässigen Daten zum wirtschaftlichen Potenzial vorliegen. Hier setzen wir auf Fortschritte in der experimentellen Neurowissenschaft, insbesondere im Rahmen der US-Amerikanischen BRAIN Initiative, die hofft das weibliche Gehirn in naher Zukunft zu erschließen.[1]
Mit Blick auf Investitionen ist der EuroMat schon weiter: Dank seiner flexiblen, Fax-kompatiblen Programmierschnittstelle konnten sämtliche kommunale Mittelverwendungsnachweise für Förderprogramme des Bundes ausgewertet und als Grundlage für Economic Return Schätzungen für Investitionen nutzbar gemacht werden.
Fügt man ein paar weitere, grundsätzlich gut bestimmbare Parameter in die Eingabematrix hinzu — wie z.B. das zukünftige Zinsniveau bis zur Erkaltung des Sonnensystems — kann ohne weiteres der Gegenwartswert aller zukünftigen Staatsausgaben geschätzt werden. Auf Basis dieser Schätzung haben wir eine fortlaufende Langfristtragfähigkeitsanalyse der ausstehenden Staatsschuld entwickelt: die Ad-Infinitum DSA®. Zum ersten Mal in der Geschichte lässt sich so der intrinsische Wert der Staatsschuld — frei von institutionellem und politischen Kontext — beziffern.
Es besteht die Hoffnung, dass der EuroMat auch in “nicht normalen” Zeiten zu mehr Disziplin führt: Dank seiner adaptiven Fähigkeiten erkennt er Schattenhaushalte sowie systematisch zu hoch angesetzte Zinskosten und spürt Rücklagen und versteckte Subventionen auf. Damit setzt er einen neuen “deep compliance” Standard für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
Zuletzt hoffen wir, in den kommenden Monaten das RSA (Risk Score & Adjustment) Modul perfektionieren zu können. Basierend auf quantifizierbaren Merkmalen amtierender Politiker, u.a. Konfession und Nationalität,[2] errechnet dieses einen finanziellen Risk Score, der die Gefahr undisziplinierter Fiskalpolitik messbar macht. Bei Bedarf — und hier finalisieren wir zurzeit die Algorithmen — trifft das Modul anschließend entsprechende Vorkehrungen, z.B. durch einen automatischen Trigger für Rentenkürzungen, um eine Rückkehr zu stabilen Finanzen zu garantieren. Ideal wäre daher, die nationalen Haushalte direkt auf die Ethereum-Blockchain zu überführen, um die notwendigen Kürzungen in den Sozialversicherungssystemen automatisch über smart contracts umsetzen zu können. Obwohl eine solche Reform unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der public choice Ökonomie längst überfällig erscheint, müssen bis zu ihrer finalen Umsetzung jedoch noch einige verfassungsrechtliche Hürden erklommen werden.
Die Programmiercodes des EuroMats können in Kürze kostenfrei im Rechenzentrum der Tieckstr. 37 abgeholt werden (CD-ROM oder fester Einband mit Schutzumschlag in drei Bänden, 1754 Seiten). Für Regierungen mit herausfordernden IT-Umgebungen ist der EuroMat auch in der Rechenschieber-Version erhältlich.
Fußnoten
[1] Brain Research Through Advancing Innovative Neurotechnologies®.
[2] Geschlecht, Alter sowie ideologische Ausrichtung erwiesen sich als nicht signifikant.
Der Geldbrief ist unser Newsletter zu aktuellen Fragen der Geldpolitik und der Finanzmärkte. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns und erbitten deren Zusendung an info[at]dezernatzukunft.org
Hat dir der Artikel gefallen?
Teile unsere Inhalte