Image
7. März 2025
 / 

Hanna Merki

 / 
 / 
Geldbrief

Niedrige Löhne und Sorgearbeit: Warum Frauen ein Viertel weniger Rente erhalten

Lesedauer: 7 min
[wp_dark_mode_switch style="3"]

Hanna Merki, Leonard Mühlenweg, Niklas Illenseer

Frauen erhalten im Schnitt 27 Prozent weniger Rente als Männer. Der Ursprung dieser Lücke findet sich sowohl in geringeren Löhnen als auch in geringerer Erwerbsbeteiligung, welche zu großen Teilen auf unbezahlte Sorgearbeit zurückzuführen ist. Um die Lücke bei den Renten strukturell zu schließen, braucht es insbesondere eine Entlastung bei der Sorgearbeit. Das führt nicht nur zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, sondern ist auch gute Wirtschafts- und Fiskalpolitik, denn es steigert Erwerbsbeteiligung und Wirtschaftsleistung.

Der 8. März ist ein guter Tag, um ins Grundgesetz zu schauen. Dort steht, was nicht nur am internationalen Frauentag wichtig ist: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Doch die Realität sieht oft anders aus. Beispielsweise erhalten Frauen weniger Gehalt für die gleiche Arbeit und sind stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen (DeStatis 2024).

In diesem Geldbrief werfen wir einen Blick auf die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen.[1] Eine Lücke, die in der Debatte oft übersehen wird, aber massive Folgen hat. Der sogenannte Gender Pension Gap spiegelt die kumulierten Geschlechterungleichheiten über das gesamte Leben wider und zeigt: Frauen erhalten im Durchschnitt 27 Prozent weniger Rente als Männer (DeStatis 2024). Die Ursachen dieser Lücke zu beseitigen, ist nicht nur ein Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch gute Wirtschaftspolitik.

Abbildung 1

Gender Pension Gap – Akkumulation lebenslanger Geschlechterungleichheiten

Die Ursache des Gender Pension Gap liegt vor allem in Unterschieden beim Lebenserwerbseinkommen: Frauen erhalten über ihr Leben hinweg nur etwas mehr als die Hälfte des Gehalts von Männern (Bönke et al. 2020). Während Männer in Westdeutschland im Schnitt 1,5 Millionen Euro verdienen, liegt das Lebenserwerbseinkommen von Frauen bei 830.000 Euro – und von Müttern lediglich bei 580.000 Euro. Eine zentrale Ursache ist die reduzierte Erwerbsarbeitszeit, weil Frauen einen Großteil der Sorgearbeit übernehmen.

Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen liegt im Durchschnitt bei 16 Prozent (DeStatis 2024). Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Berufe in frauendominierten Branchen wie Pflege oder Kindererziehung oft unterdurchschnittlich bezahlt werden. Selbst wenn man um diese Faktoren wie Branche, Qualifikation oder Beschäftigungsumfang bereinigt, verdienen Frauen immer noch 6 Prozent weniger pro Stunde.

Ein noch entscheidenderer Faktor als die Lohnlücke ist die Erwerbsarbeitszeitlücke zwischen Männern und Frauen. Der Hauptgrund dafür ist die ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit, die vor allem Frauen leisten[2]. Ohne diese unbezahlte Sorgearbeit würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren – sie ist das Fundament unserer Wirtschaft. Es ist ein Problem, wenn eine Hälfte der Gesellschaft diese Verantwortung trägt, ohne dafür entsprechend entlohnt zu werden. Doch sie wird kaum als produktive Leistung anerkannt.

Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland liegt bei 73,6 Prozent – etwa 7 Prozentpunkte niedriger als die der Männer (DeStatis 2024). Dieser Unterschied lässt sich fast vollständig durch die sogenannte Child Penalty erklären, welche den Effekt der Geburt des ersten Kindes auf die Erwerbstätigkeit von Eltern beschreibt (Child Penalty Atlas 2025). Die Auswirkungen auf Mütter und Väter unterscheiden sich deutlich: Während die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau nach der Geburt erwerbstätig ist, deutlich sinkt und sich nur langsam und teilweise erholt, bleibt die Erwerbstätigkeit der Männer nahezu unberührt. Dieser Effekt ist in Deutschland stärker ausgeprägt als im europäischen Durchschnitt.

Abbildung 2

Die Teilzeitquote von Frauen ist in Deutschland mit etwa 50 Prozent ebenfalls fast doppelt so hoch wie der europäische Durchschnitt (Eurostat 2024). Auch hier spielt die Sorgearbeit eine zentrale Rolle. So reduzieren 39 Prozent der Frauen im Alter zwischen 35 bis 44 ihre Erwerbsarbeit, um Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Bei den Männern sind es nur 3 Prozent (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3

Zudem arbeiten Frauen nach wie vor deutlich häufiger in sozialen Dienstleistungsberufen wie Pflege oder Erziehung. Jobs, in denen hohe physische und psychische Belastungen auf schlechte Arbeitsbedingungen und Überstunden treffen. Diese Faktoren erschweren längere Arbeitszeiten und fördern Teilzeitarbeit (Hans-Böckler Stiftung 2022).

Gleichstellungspolitik ist gute Wirtschaftspolitik

Es gilt folglich insbesondere strukturelle Probleme bei der Erwerbsarbeitszeit zu lösen. Es braucht neben der Auflösung von Fehlanreizen im Steuer- und Transfersystem vor allem Entlastungen bei der Sorgearbeit und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in sozialen Dienstleistungsberufen wie Pflege oder Erziehung. Es geht also darum gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu erleichtern, statt sie zu erschweren. Denn viele Mütter würden beispielsweise gerne mehr arbeiten: Im Durchschnitt arbeiten Mütter von Schulkindern vier bis sechs Stunden pro Woche weniger als ihre ideale Arbeitszeit. Hochgerechnet ergibt sich dadurch ein ungenutztes Potenzial von 645.000 Vollzeitäquivalenten (Bujard 2024). Auf der anderen Seite möchten Väter von jungen Kindern im Schnitt sogar etwas weniger arbeiten. Doch selbst wenn man dies gegenrechnen würde, bleibt ein ungenutztes Potenzial von 325.000 Vollzeitäquivalenten.

Will man dieses Potenzial heben, braucht es flächendeckende und verlässliche Kita- und Ganztagsbetreuung. Davon sind wir weit entfernt. So fehlen laut Bertelsmann Stiftung aktuell rund 430.000 Betreuungsplätze, davon 385.900 allein in westdeutschen Bundesländern (Dezernat Zukunft 2024). Und selbst in den Regionen, in denen es Betreuung gibt, stimmt die Qualität oft nicht: 90 Prozent der Kita-Kinder in den ostdeutschen Bundesländern und 62 Prozent in den westdeutschen Bundesländern haben keinen kindgerechten Personalschlüssel (Dezernat Zukunft 2024).

Insbesondere Familien mit zwei oder mehr Kindern sind häufig von hohen Transferentzugsraten bei Leistungen wie Kindergeldzuschlägen und Wohngeld betroffen. Die Folge: Vom möglichen zusätzlichen Brutto bleibt kaum Netto übrig und davon gehen nochmal hohe zusätzliche Betreuungskosten ab. In einer Welt, in der Frauen häufig in geringer entlohnten Branchen arbeiten, wirkt sich das negativ auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen aus. Neben besseren Betreuungsangeboten könnte folglich eine Integration staatlicher Leistungen in ein einheitliches Transfersystem mit niedrigeren Transferentzugsraten langfristig Erwerbsanreize stärken (Blömer & Peichl 2025).

Die strukturellen Ursachen aus dem Weg zu räumen, erfordert Geld, aber es lohnt sich – und würde auch die Wirtschaftsleistung steigern. Bis 2030 könnte die Erwerbstätigkeit von Frauen um bis zu 600.000 Vollzeitäquivalente ergänzt werden, allein wenn ausreichend in Kinderbetreuung und Pflege investiert wird. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent – also um 60 Milliarden jährlich – steigen. Die anfänglichen zusätzlichen Mehrausgaben wären bis 2030 bereits wieder ausgeglichen (Krebs 2024). Geschlechtergerechte Politik ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch kluge Wirtschafts- und Fiskalpolitik.

Unsere Leseempfehlungen:


Fußnoten

[1] Wir verwenden hier eine binäre Geschlechterunterscheidung, weil die Datenlage es kaum anders zulässt – eine feinere, inklusivere Datenerfassung wäre wünschenswert.

[2] Im Durchschnitt leisten Frauen ca. 30 Stunden an unbezahlter Sorgearbeit pro Woche, ca. 9 Stunden mehr als Männer (DeStatis 2024).


Medienrück- und Veranstaltungsausblick 06.03.25

  • Rückblick
    • Am 27.02.2025 zitierte die taz Ludovic Suttor-Sorel zur Finanzierung des Clean Industrial Deal (CID) der EU-Kommission.
    • Am 28.02.2025 erwähnte Table Media die vom DZ geschätzten öffentlichen Finanzierungsbedarfe im Bereich Verteidigung.
    • Am 28.02.2025 erwähnte Eurointelligence den DZ-Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse.
    • Am 28.02.2025 erschien ein Interview mit Philippa Sigl-Glöckner im Handelsblatt [Paywal] zur Reform der Schuldenbremse.
    • Am 01.03.2025 wurde Florian Schuster-Johnson im Surplus [Paywall] zur Haushaltslücke zitiert.
    • Am 04.03.2025 veröffentlichte Welt einen Gastbeitrag von Florian Schuster-Johnson zu einer zweiteiligen Reform der Schuldenbremse.
    • Am 05.03.2025 diskutierte Philippa Sigl-Glöckner im Table Today-Podcast mit den Moderator:innen Helene Bubrowski und Michael Bröcker sowie den Gästen Tanja Gönner (BDI) und Moritz Schularick (IfW) die Investitionspläne von Union und SPD.
    • Am 05.03.2025 erwähnte die taz den Vorschlag des DZ zu Klimaausgaben in einer ökonomisch sinnvollen Schuldenregel und zitierte dazu Felix Heilmann.
    • Am 05.03.2025 veröffentlichte CNBC einen Artikel sowie ein Video mit Zitaten bzw. Interviewausschnitten von Florian Schuster-Johnson zu den Investitionsplänen von Union und SPD.
    • Am 05.03.2025 veröffentlichte Arte einen Videobeitrag mit Interviewausschnitten mit Florian Schuster-Johnson zu den geplanten Sondervermögen von Union und SPD.
    • Am 05.03.2025 erwähnte die SZ die DZ-Abschätzung der öffentlichen Finanzierungsbedarfen für Straße und Schienen in Höhe von 166 Mrd. Euro bis 2030.
  • Ausblick
    • Am 08.04.2025 ab 18:30 Uhr wird Philippa Sigl-Glöckner für ihr Buch „Gutes Geld: Wege zu einer gerechten und nachhaltigen Wirtschaft“ der Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik der Friedrich-Ebert-Stiftung verliehen. Die Preisverleihung kann per Livestream ohne Anmeldung verfolgt werden.

Der Geldbrief ist unser Newsletter zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- Fiskal- und Geldpolitik. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns. Zusendung an leonhard.muehlenweg[at]dezernatzukunft.org


 

Hat dir der Artikel gefallen?

Show some love mit einer Spende
oder folge uns auf Twitter

Teile unsere Inhalte

Ähnliche Artikel aus unserem Archiv