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25. November 2019
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Dezernat Zukunft

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Was wir lesen – November 2019

3 min Lesezeit
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DEZERNAT ZUKUNFT

In England die Parlamentswahl, in den USA die Impeachmentanhörungen: ein heißer Herbst in der angelsächsischen Welt. Doch nicht nur politisch ist dort viel los. Hier präsentieren wir eine Auswahl an kürzlich erschienenen Texten, dieses Mal überwiegend englischsprachig, die wir für besonders lesenswert halten:

  • Łukaz Rachel und Larry Summers haben ein working paper zu (nachfrageseitiger) „secular stagnation“—permanenter Nachfragemangel—veröffentlicht. Die Kernaussagen sind die folgenden: A) Nachfragemangel sollte nicht in einzelnen Volkswirtschaften gemessen werden, sondern im „Block“ der Industrieländer insgesamt, da diese durch ihre Handels- und Finanzbeziehungen eng verwoben sind. B) Seit den 1970ern ist der neutrale Zinssatz[1] um ca. 3 Prozentpunkte gefallen. C) Wären Staatsschulden, umlagefinanzierte Rentensysteme, und öffentliche Gesundheitssysteme nicht im selben Zeitraum gewachsen, so wäre der neutrale Zinssatz um bis zu 7 Prozentpunkte gefallen.
  • JW Mason, ein amerikanischer Professor der City University of New York, hat kürzlich in einer Anhörung vor dem US Kongress den neusten Stand der Forschung zum Thema Staatsschulden und öffentliche Ausgaben zusammengefasst. Die slides sind öffentlich verfügbar und ausgesprochen verständlich. Nützlich für alle, die englischsprachliche Makro-Vorlesungen halten.
  • Life after Debt: eine interne Analyse (pdf) der amerikanischen Regierung zur Frage „Was würde passieren, wenn wir die gesamte Staatsschuld abbezahlen“, aus dem Jahr 2000. Die US-Radiosendung und Podcast Planet Money haben per „freedom of information“-Anfrage diesen geheimen Regierungsbericht öffentlich gemacht. Unter anderem warnt der Report, dass nach Abzahlung der Staatsschuld den Finanzmärkten der risikofreie Zinsbenchmark fehlen würde, sowie dass die Federal Reserve die Art und Weise, in der sie Geldpolitik umsetzt radikal ändern müsste. Ebenso interessant: die interne Diskussion über den Bericht, die im PDF ab Seite 12 wiedergegeben wird.
  • Die UN Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) hat ihren 2019er Jahresbericht veröffentlicht, mit Themenschwerpunkt Finanzierung eines globalen Green New Deals. Der Bericht ist gespickt mit nützlichen Zusammenfassungen und guten Daten, so z.B. Grafiken zur Entwicklung von Körperschaftssteuersätzen im internationalen Vergleich (S. 44) und CO2 Emissionen (S. 45), Tabellen zu Fiskalmultiplikatoren (S. 59) und Steuerverlust durch Unternehmens-Steuerhinterziehung (S. 109), sowie Boxen zu Moderner Geldtheorie (S. 48) und Cryptowährungen (S. 9).
  • Zum Abschluss ein deutschsprachiger Text, den man nicht verpassen sollte: das Jahresgutachten 2019/20 des Sachverständigenrats Wirtschaft, auch bekannt als die Wirtschaftsweisen, veröffentlicht Anfang November. Besonders zu empfehlen: Kapitel 3 zu Industriepolitik, sowie Achim Trugers „andere Meinungen“ zu Kapitel 2 (Produktivitätsentwicklung und Leistungsbilanz, S. 128ff) und Kapitel 6 (Steuer- und Lohnpolitik, S. 361ff).

[1] Der neutrale Zinssatz ist der (reale, sprich inflationsbereinigte) Zinssatz, zu dem geplante Investitionen alle geplanten Ersparnisse aufsaugen, und gleichzeitig Vollbeschäftigung herrscht. Wenn der tatsächliche Zinssatz über dem neutralen Zinssatz liegt gibt es, ceteris paribus, mehr geplante Ersparnisse (jetzt attraktiver durch höhere Zinsen) als geplante Investitionen (jetzt weniger attraktiv durch höhere Finanzierungskosten). Da Ersparnisse der Wirtschaft Nachfrage entziehen, steigt so die Arbeitslosigkeit. Dieser Effekt wird durch weniger Investitionen verstärkt, so dass ein zu hoher Zinssatz insgesamt die Wirtschaft ausbremst. Umgekehrt, wenn der tatsächliche Zinssatz unterhalb des neutralen Zinssatz liegt entsteht eine gegenteilige Dynamik: weniger geplante Ersparnisse, mehr Investitionen. Wenn dies eine Wirtschaft über die Vollbeschäftigung antreibt, so kann es zu einem Ansteigen der Inflation führen, da Firmen, um Arbeiter zu finden, ihre Löhne anheben müssen und dies anschließend versuchen, mit höheren Preisen wettzumachen. Zwischen einem zu hohem Zinssatz (wirtschaftlich bremsend und gegebenenfalls Arbeitslosigkeit verursachend) und einem zu niedrigem Zinssatz (wirtschaftlich antreibend und gegebenenfalls inflationsverursachend) befindet sich der neutrale Zinssatz.

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