Was wir lesen #6
Im Kontext regelgebundener Fiskalpolitik erfolgt makroökonomische Konjunktursteuerung größtenteils über Geldpolitik. Dies macht die Unabhängigkeit von Zentralbanken, in deren Ermessen so die gesamtwirtschaftliche Nachfragesteuerung liegt, zu einem entscheidenden Thema, das international kontrovers diskutiert und erforscht wird. In Deutschland, auch aufgrund unserer besonderen wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung, ist dieses Thema jedoch fast völlig abwesend in der öffentlichen Diskussion. Um diese Lücke ein Stück weit zu füllen, sammeln wir hier eine Reihe von Texten und Beiträgen rund um die Zentralbankunabhängigkeit.
- Nationale Geschichten der Zentralbankunabhängigkeit.
- Zwei Texte zur Deutschen Bundesbank: Simon Mee, PhD aus Oxford, beleuchtet die Rolle der Bundesbank in ihrer eigenen Unabhängigkeit (auf Englisch); spannend, und sicherlich für manchen Leser überraschend. Eine kurze Zusammenfassung der Geschichte der Bundesbankunabhängigkeit gibt die Bundesbank selber hier.
- Die offizielle Geschichte der Unabhängigkeit der Amerikanischen Federal Reserve, veröffentlicht von ihrer Zweigstelle in Kansas City. Wem dieser Text zu lang ist, für den gibt es einen kurzen Artikel, der sich mit dem Moment beschäftigt, in dem die Amerikanische Federal Reserve ihre Unabhängigkeit nach dem 2. Weltkrieg wiedererhielt: das Abkommen von 1951 zwischen der amerikanischen Treasury und der Federal Reserve.
- Die Bank of England veranstaltete im September 2017 eine Konferenz zum Anlass „20 Jahre Unabhängigkeit.“ Neben Theresa May war auch Gordon Brown, ehemaliger Premierminister und maßgeblicher Veranlasser der Unabhängigkeit der Bank of England, unter den Rednern. Videos und Texte der Reden sind hier online (englisch) verfügbar.
- Die norwegische Zentralbank (Norges Bank) erhielt als eine der letzten in Europa ihre Unabhängigkeit. Warum erklärt dieser Artikel.
- Für alle, die zusätzlich zu den Geschichten einzelner Zentralbanken einen Blick auf das große Ganze werfen wollen, weisen wir auf die Datenbank hin, die Professor Garriga zum Thema Zentralbankunabhängigkeit gesammelt hat. Für 182 Länder bietet diese Datenbank für jedes Jahr zwischen 1970 und 2012 Informationen darüber, wie sehr die jeweilige Zentralbank rechtlich unabhängig von ihrer Regierung war.
- Kanonische Debattenbeiträge.
- Die beiden wohl wichtigsten Aufsätze zum Thema Zentralbankunabhängigkeit sind die von Kydland und Prescott (1977) sowie von Barro und Gordon (1983). Beide argumentieren, dass es bei der Konjunktursteuerung ein fundamentales Problem der zeitlichen Inkohärenz gäbe, das durch regelgebundene Zentralbankunabhängigkeit lösbar sei.
- Inwiefern dieses Problem tatsächlich existiert ist jedoch unklar. Posen (1995) zeigt, dass die Kosten von Inflationsabsenkungen, die sich insbesondere als höhere Arbeitslosigkeit niederschlagen, nicht geringer werden, wenn Zentralbanken unabhängig sind. Dies wirft Zweifel auf, ob die Zentralbankunabhängigkeit tatsächlich makroökonomische Vorteile bringt. In die selbe Kerbe schlagend argumentiert McNamara, dass die Zentralbankunabhängigkeit in den meisten Fällen am ehesten durch soziologische Prozesse und durch ihre Signalwirkung erklärbar sind, nicht weil sie ökonomisch sinnvoll oder notwendig gewesen wäre.
- Crowe und Meade (2008), sowie viele andere Forscher, finden allerdings, dass Inflationsraten negativ mit Zentralbankunabhängigkeit korrelieren.
- Vorschläge dazu, wie Zentralbankunabhängigkeit im 21. Jahrhundert aussehen könnte, wurden vor kurzem von drei Forschern aus Harvard präsentiert.
- Zur Frage der Legitimität.
- Ein demokratie-basiertes Argument gegen Zentralbankunabhängigkeit wurde 1999 von zwei Professorinnen veröffentlicht: Berman and McNamara (1999).
- Paul Tucker, ehemaliger Vizegouverneur der Bank of England, hat vor kurzem ein Buch zur Legitimität von nicht gewählten Organen und Institutionen, und insbesondere Zentralbanken, veröffentlicht: Unelected Power. Das Dezernat hat es noch nicht lesen können, aber wir glauben, dass es sich zu lesen lohnt.
Picture credit: Federal Reserve System of the United States, Europäische Zentralbank, Bank of England, Bank of Japan
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