Deutschland braucht neue Schulden – und kann sie sich leisten

Die Ampel ist am Geld gescheitert – oder genauer: Sie ist daran gescheitert, dass Deutschland seit Jahren keinen verlässlichen Finanzierungsrahmen hat, der Geld dorthin lenkt, wo es Wirtschaft und Gesellschaft am meisten nützt. Diese Wahl bietet die Chance darüber zu streiten und die drängenden Fragen zu stellen: Wo wollen wir Geld anders verteilen? Und wie setzen wir das Instrument der Staatsverschuldung vernünftig ein? In diesem Geldbrief zeigen wir, dass Deutschland sich zusätzliche Schulden leisten kann, und argumentieren, dass die Politik jetzt handeln sollte, indem sie die Schuldenbremse reformiert oder andere gangbare Finanzierungslösungen umsetzt.

Public financing needs for the modernisation of Germany (Summary)

This study maps the additional public financing needed to achieve widely accepted targets in areas that are pivotal to Germany’s stability and future. Overall, we estimate an additional public financing need of 782 billion euros across all levels of government from 2025 to 2030. This would correspond to an average of around 3 percent of gross domestic product (GDP) per year. Our findings are consistent with and complement other estimates of public needs published this year. The need for significant additional public financing for the future viability and modernization of the country can thus increasingly be seen as a consensus position.

Was kostet eine sichere, lebenswerte und nachhaltige Zukunft?

Die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse wurde überarbeitet. Durch technische Verbesserungen entstehen im Bundeshaushalt 2025 3,4 Mrd. Euro zusätzlicher finanzieller Spielraum. Wir schlagen vor die potenzialerweiternden Maßnahmen der Wachstumsinitiative in der Potenzialschätzung zu berücksichtigen. Das schafft einen zusätzlichen Spielraum von 3 Mrd. Euro, ohne dass die Schuldenbremse reformiert werden muss.

Angebotspolitik — ein Upgrade ist fällig!

Laut Finanzminister Christian Lindner braucht es dringend eine angebotsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik, um Deutschland auf den Wachstumskurs zu bringen – eine sogenannte „Angebotspolitik“. Doch Angebotspolitik ist nicht gleich Angebotspolitik. Die heutigen Herausforderungen erfordern tatsächlich eine Ausweitung und Umstrukturierung der wirtschaftlichen Angebotsseite, doch neoklassische Altrezepte greifen zu kurz. Es braucht ein neues und weitergefasstes Verständnis von Angebotspolitik.

Kipppunkte sind näher als angenommen

In diesem Geldbrief machen wir einen Ausflug in die Klimawissenschaft. Warum? Unsere Kernthemen der Finanz- und Wirtschaftspolitik werden sowohl von der Entwicklung der Klimakrise als auch den Transformationsbemühungen massiv beeinflusst – und tragen umgekehrt dazu bei, ob und wie die Transformation gelingen kann. In unserem neuen Hintergrundpapier „16 Gründe für schnelles Handeln – Kipppunkte und ihre Bedeutung für die Klimapolitik“ zeigen wir das Kipppunkte im Erdsystem ein Umdenken der Finanz- und Wirtschaftspolitik erfordern. Denn Kipppunkte sind viel näher als gedacht. Trotz vieler Unsicherheiten ist eins gewiss: Rasche Emissionsreduktionen noch in diesem Jahrzehnt sind zentral, um die Risiken des Überschreitens von Kipppunkten zu reduzieren.

16 Gründe für schnelles Handeln – Kipppunkte und ihre Bedeutung für die Klimapolitik

Die jüngste klimawissenschaftliche Forschung zeigt: Kipppunkte sind sehr viel näher als lange angenommen. Diese dramatische Revision ist aber weitgehend unbemerkt geblieben. In dieser Kurzpublikation zeichnen wir den aktuellen Wissensstand über Kippelemente im Erdsystem nach, diskutieren Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen Risiken und leiten grundlegende Implikationen für die deutsche Klimapolitik ab.

Importreserve statt Exportflut: LNG zwischen Energiesicherheit und Klimaschutz

In den letzten Monaten haben wir haben uns gemeinsam mit Agora Energiewende und im Austausch mit Expert:innen aus dem gesamten Spektrum der Debatte mit der Frage beschäftigt, inwiefern die aktuell diskutierten Maßnahmen zum Ausbau der Versorgung mit Flüssigerdgas (LNG) das Erreichen der Klimaziele gefährden können und welche Pfade es gibt, um sowohl die notwendige Gasversorgung sicherzustellen als auch die Klimaziele zu erreichen.

Klimaneutralität erfordert eine „all-of-economy“-Strategie

Der dieswöchige Geldbrief greift ein Argument auf, zu dem Philippa, Max und Janek auf Project Syndicate einen englischen Meinungsbeitrag veröffentlicht haben: Mit ihrer technischen Antwort auf den Klimawandel steuern die Europäische Union und Deutschland auf fiskalische und soziale Verwerfungen zu. Eine erfolgreiche Dekarbonisierung erfordert einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz, der technische Maßnahmen zur Emissionsminderung mit guten und hoch bezahlten Arbeitsplätzen sowie finanzieller Sicherheit verbindet.

Schumpeter und der unaufhaltsame Fortschritt grüner Technologien

Immer mehr Studien zeigen, dass eine erneuerbare Energieversorgung in der langen Frist deutlich günstiger sein wird als die fossile von heute. Das liegt vor allem daran, dass die Kosten grüner Technologien erheblich sinken. Doch wie sehr? Ist Klimaschutz damit ein Selbstläufer? Und welche Rolle spielt technischer Wandel? Im Geldbrief dieser Woche wagen wir einen Blick in die Kristallkugel, in das Innenleben mathematischer Modelle und den dunklen Abgrund des verbleibenden Emissionsbudgets. Dieser Geldbrief basiert auf einer Abschlussarbeit, die unten verlinkt ist.

Alle Wege führen nach Rom

Am 30. und 31. März fand das erste Treffen des European Macro Policy Networks (EMPN) statt. Was den Gründern der Europäischen Union recht war, konnte uns nur billig sein: Treffpunkt Rom. In diesem Geldbrief berichten wir über die Tagung, erklären, was es mit dem EMPN auf sich hat, und stellen unsere drei jüngsten Kooperationen im Rahmen des Netzwerks vor.

Die Zukunft energieintensiver Industrien – Zwischenbericht aus unserem Industrieprojekt

Es ist soweit: In vorherigen Geldbriefen sprachen wir bereits unser laufendes Industrieprojekt mit Frontier Economics und der IW Consult an, jetzt gibt es Zahlen und erste Zwischenergebnisse. Um was geht es? Wir wollen besser verstehen, welche Auswirkungen die globale Umstellung auf erneuerbare Energien und klimaneutrale Produktionsverfahren für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen energieintensiven Industrien hat. Im ersten Teil des Projekts haben wir uns dazu internationale Erzeugungskosten von erneuerbarem Strom und Wasserstoff und deren Auswirkungen auf Herstellungskosten von Grundstoffen angesehen. Unsere vorläufige Erkenntnis ist: Deutschland schneidet bei Strom- und Wasserstoffkosten im internationalen Vergleich schlecht ab. In der Tendenz können Verlagerungen von Wertschöpfungsschritten oder der vollständige Import von Grundstoffen deshalb mit Kostenvorteilen gegenüber der heimischen Produktion verbunden sein. Im zweiten – nun bevorstehenden – Teil des Projekts werden wir uns ansehen, wie Abnehmer:innen dieser Grundstoffe auf potenzielle Kostenunterschiede reagieren und anschließend Wertschöpfungs- und Arbeitsmarkteffekte schätzen. Dazu dann im Juni mehr. Wie immer freuen wir uns über kritisches Feedback.

Europas gordischer Knoten: Warum stagniert Italien?

Eine zentrale Lektion unseres Papiers zu Reformoptionen des Stabilitäts- und Wachstumspakt war: in Italien liegt der Hund begraben. Das Land und seine Staatsschuld sind zu groß, als dass ein Ausfall mit den üblichen Mitteln aufgefangen werden kann. Ein Zahlungsausfall könnte das Ende der Eurozone bedeuten. Mehr Sparen scheint zur Vermeidung dieses Super-GAUs aber nur begrenzt zielführend zu sein: nicht Italiens Haushalte, sondern ein Ausbleiben des Wachstums sind die Wurzel des Problems. Um mögliche Auswege aus diesem Dilemma besser zu verstehen, haben wir Italiens jüngere Wirtschafsgeschichte untersucht. Unsere Schlussfolgerung: Es gab große Reformen in den letzten dreißig Jahren. Doch ihre inneren Widersprüche vertieften die Malaise. Jetzt gilt es, ein kohärentes Reformprogramm zu entwickelt, das Italiens Institutionen stärkt, seine Industriestruktur auf Vordermann bringt und Investitionen ermöglicht.

Wieso es möglichst bald eine möglichst transparente Gaspreisbremse braucht

Wir kommen zu folgendem Ergebnis:
Erstens, auch mit der Gaspreisbremse gibt es weiterhin Einsparanreize. Sie birgt aber die Gefahr, einen erheblichen Teil der Haushalte mit wesentlichen Mehrbelastungen zurückzulassen. Zweitens, Haushalte sollten dringend dazu aufgefordert werden, in die derzeit für die meisten viel günstigere Grundversorgung zu wechseln. Drittens sollte die Bundesregierung eruieren, ob sie nur den jeweils günstigsten Tarif eines Versorgers in die Bremse einbezieht und Versorger dazu verpflichtet, allen Kunden Zugang zu diesem Tarif zu geben. Viertens, die Gaspreisbremse sollte so schnell wie irgend möglich greifen, da alternative Instrumente wie Abschlagszahlungen sehr viel schlechter geeignet sind und die Belastung der Preisanstiege tendenziell in den Regionen am höchsten ist, die bereits mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben.

US Inflation Reduction Act: Der Wolf im Schafspelz

Während in Europa der politische Fokus auf der Eindämmung der akuten Energie- und Inflationskrise in Folge des russischen Angriffskrieges liegt, hat der amerikanische Kongress am 7. August 2022 ein historisches Bundesgesetz, den Inflation Reduction Act (IRA), verabschiedet. Historisch ist der IRA nicht, weil er die Inflation merklich reduzieren wird, sondern weil er die bedeutendste bundesweite Klimagesetzgebung in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist: Bis 2030 werden die enthaltenen Maßnahmen die amerikanischen Treibhausgasemissionen auf bis zu 42% unter das Niveau von 2005 reduzieren. Das reicht zwar nicht, um die USA auf einen Paris-kompatiblen Pfad zurückzubringen, ist aber dennoch ein Quantensprung zum Status-Quo. Gleichzeitig läutet der IRA gemeinsam mit weiteren Gesetzen ein neues Zeitalter aggressiver Industriepolitik mit geopolitischen Ambitionen ein.

Gaspreisbremse

Die Gas-Kommission hat ihre Vorschläge zur Gaspreisbremse vorgelegt. Das Gute daran: Es liegen nun Vorschläge zur Deckelung der Gaspreise auf dem Tisch, etwas das noch vor ein paar Monaten in Deutschland undenkbar schien. Das Herausfordernde: Es gibt noch ziemlich viel auszuarbeiten. Die Vorschläge sind eher erste Skizzen als ausgearbeitete Gesetzesentwürfe.

Wie weiter mit dem Gas?

Daher halten wir es allein aus finanzieller Perspektive für essenziell, sich damit zu befassen, wie möglichst zeitnah eine zuverlässige Gasversorgung mit überschaubaren Kostenrisiken sichergestellt werden kann – ohne fossile Lock-in Effekte zu kreieren, die die Klimapolitik konterkarieren.  Im Folgenden skizzieren wir unser Verständnis der Situation sowie die unserer Meinung nach plausibelsten Lösungsansätze. Ob diese aber tatsächlich beide Ziele – zuverlässige und bezahlbare Gasversorgung einerseits, keine Gefährdung der Klimaziele andererseits – erreichen können, finden wir schwer einzuschätzen.

Der leise Tod der Geldmengensteuerung: Ende eines Irrwegs

Preise hängen von Angebot und Nachfrage ab. Das Preisniveau der gesamten Volkwirtschaft hängt wiederum vom gesamtwirtschaftlichen Angebot und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab. Über lange Zeit haben Zentralbanken jedoch kommuniziert, die Geldmenge sei ausschlaggebend für die Preisentwicklung. Diese Kommunikationslinie wurde nie wirklich korrigiert, was noch heute zu Irritationen in der Wirtschaftsberichterstattung führt. Im Sinne einer modernen Fehlerkultur würde es der Bundesbank gut zu Gesicht stehen, ihre geldpolitische Kommunikation aufzuarbeiten und klarzustellen, wie Geldpolitik tatsächlich wirkt: Nämlich über kurz- und langfristige Zinsen.

Erste Einordnung des Koalitionsvertrag: fünf Themen aus Dezernatsperspektive

Am 19. März 2020 legte die australische Zentralbank fest, dass die laufende Verzinsung (Rendite) auf australische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren fortan nicht mehr über 0,25% p. a. liegen sollte. Am 29. Oktober 2021 stellte die Zentralbank die Vorgabe recht abrupt ein. Der australische Feldversuch bietet dabei einige spannende Einblicke in die Durchführung der Geldpolitik und in Staatsanleihemärkte.

70 Milliarden Euro für unsere Zukunft – Eine neue deutsche Finanzpolitik

Letzte Woche haben wir beim Forum New Economy unsere Vorschläge für eine neue deutsche Finanzpolitik veröffentlicht. Unser Kernargument: zukunftsfähige Staatsfinanzen hängen heute an einer produktiven Wirtschaft und einem vollausgelasteten Arbeitsmarkt, nicht mehr am Erreichen einer bestimmten Schuldenquote.  In diesem Dezernatsbrief fassen wir unsere Vorschläge, wie zukunftsfähige Finanzpolitik in der Praxis aussehen könnte, knapp und übersichtlich zusammen.

Was ist Zukunftsfähigkeit?

Es ist acht Tage her, da hat Wolfgang Schäuble in der Financial Times für eine Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten geworben, um wachsende Schuldenberge und drohende Inflation abzuwenden und so Europas Zukunft zu sichern. Rasche Antworten und Reaktionen verdeutlichen, dass das dem Artikel zugrundeliegende Verständnis zukunftsfähiger Finanzen von der Geschichte überholt wurde. Die Sparpolitik der 2010er Jahre ist vor allem international an ihren eigenen Maßstäben gemessen gescheitert: Die durchschnittliche Schuldenquote in Europa ist durch Haushaltskonsolidierung angestiegen, nicht zurückgegangen (Fatás and Summers 2018).

Deutschland bekommt 112 Millionen Euro geschenkt

In diesem Dezernatsbrief widmen wir uns einer nur scheinbar einfachen Frage: Was kosten uns eigentlich unsere Schulden? Wir zeigen, dass die beiden klassischen Schuldenindikatoren — die Defizit- und die Schuldenquote — diesbezüglich aussageschwach sind: Sie werfen nur wenig Licht auf die tatsächlichen Kosten. Anstatt dessen plädieren wir für die Haushalts-Zinsquote und, als Ergebnis unseres neusten Forschungspapiers, den Gegenwartswert von Staatsanleihen. … Read More

Schuldenbremse 101

In diesem Schuldenbremsen 101 haben wir die wichtigsten Begriffe rund um die Schuldenbremse zusammengefasst.

Was kosten unsere Schulden?

Angesichts der Corona-Krise hat sich die Diskussion um Chancen und Gefahren von Staatsschulden neu entfacht. In Deutschland bedeutet dies vor allem eines: Wie umgehen mit der Erkenntnis, dass ein ausgeglichener Haushalt kein Selbstzweck ist?

Close the gap!

Der europäische Impf-Fehlstart kostet Menschenleben. Es ist wichtig, seine Ursachen aufzuarbeiten sowie daraus zu lernen. Und auch wenn—Stand heute—noch nicht alle Fakten feststehen, ist bereits erkenntlich, dass die von der EU angestrebte Risikoaufteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft ein erheblicher Bremsklotz war, in dem sich ein verfehltes Staats- und Wirtschaftsverständnis offenbart.