Investitionstracker
Seit Beginn 2023 wurden 33 private Investitionen über 100 Mio. € angekündigt, für eine Transformation hin zu einer klimaneutralen und souveränen Wirtschaft. Hier geht es zur interaktiven Karte.
Download Excel → Das Datenset im Excel FormatDownload PDF → Die ausführliche Methodik
Letztes Update: 19.10.2023
Wir freuen uns über Feedback und Hinweise auf nicht berücksichtigte Investitionsvorhaben, die den unten aufgeführten Kriterien entsprechen. Bitte melden an: gerrit.schroeter@dezernatzukunft.org
Seit Beginn des Jahres wird viel über die wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts diskutiert. Einerseits ist wieder vom „kranken Mann Europas“ die Rede. Einige befürchten, dass mehr und mehr Unternehmen aufgrund schlechter Standort- und Rahmenbedingungen ins Ausland abwandern werden.
Gleichzeitig herrscht Einigkeit darüber, dass die Transformation hin zu einer klimaneutralen und souveränen Wirtschaft mit einem massiven Aufwuchs an privaten und öffentlichen Investitionen einhergeht. Eine Reihe von Großinvestitionsvorhaben, teils ermöglicht durch großzügige Subventionen, wurden in den letzten Monaten angekündigt. Ein Beispiel ist die Intel-Chipfabrik in Magdeburg, die mit knapp 10 Mrd. € gefördert werden soll.
Um diese Zukunftsinvestitionen geht es in diesem Datenset. Wir möchten ein Gefühl dafür bekommen, ob sich eine Dynamik bei den privaten Investitionsankündigungen beobachten lässt und wie sich die geplanten Investitionen regional, sektoral und der Art nach verteilen. Da es sich um Ankündigungen handelt, lässt sich daraus jedoch nicht kausal auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland schließen.
Welche Investitionsvorhaben erfassen wir?
Für den Anfang konzentrieren wir uns auf seit Jahresbeginn 2023 angekündigte private Großinvestitionsvorhaben über 100 Mio. € in Wirtschaftsbereichen, die aus unserer Sicht essenziell sind für eine klimaneutrale, digitale und souveräne Wirtschaft. Dazu zählen vor allem industrielle Produktionskapazitäten von erneuerbaren Technologien und Komponenten sowie große Erneuerbare Energien [EE] -Anlagen (z. B. H2-ready Gaskraftwerke oder Elektrolyseure) und Energieinfrastrukturen. Außerdem erfassen wir Investitionsvorhaben in energieintensiven Industrien, im Autosektor und der Produktion von Batterien und Speichern, im Rüstungssektor, der Rohstoffgewinnung sowie in den Bereichen Halbleiter und Elektronik sowie Biotechnologie.
Wir nehmen Großinvestitionsvorhaben nur dann auf, wenn wir deren Umsetzung als hinreichend wahrscheinlich erachten. Dabei versuchen wir, den frühestmöglichen Zeitpunkt auszumachen, an dem eine Investitionsankündigung als wahrscheinlich gilt. In unsere Beurteilung fließen dabei mehrere Faktoren ein, dazu später mehr.
Erste Ergebnisse (Stand: 19.10.2023)
Seit Beginn des Jahres 2023 haben wir gemäß unserer Methodik Ankündigungen für 33 Großinvestitionsvorhaben über 100 Mio. EUR mit einem Gesamtvolumen von circa 86 Mrd. € (inklusive staatlicher Subventionen von circa 20 Mrd. €) identifiziert. Dies stellt einen Anteil von 2,2 Prozent des BIPs dar. Darunter fallen 16 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen größer/gleich 1 Mrd. €, z. B. das geplante Intel-Werk in Magdeburg (27 Mrd. €) – die größte Ankündigung. Investitionen zwischen 100 Mio. € und 1 Mrd. € machen die andere Hälfte der Ankündigungen aus. Hinsichtlich der regionalen Verteilung zeigt sich eine leichte Tendenz zugunsten von Ostdeutschland bei der Höhe des Volumens, mit 57 Prozent, bei lediglich 30 Prozent der Vorhaben. Hinsichtlich der Branchenverteilung liegt mit 46,4 Mrd. € (54 Prozent) der Bereich Halbleiter & Elektronik an erster Stelle, gefolgt von Energieinfrastrukturen mit 27 Prozent. Im Bereich der Sektoren, die für die Energiewende relevant sind (EE (Industriekapazität); EE-Kraftwerke, Speicher und Elektrolyse; Energieinfrastrukturen) belaufen sich die Investitionsankündigungen auf 27,745 Mrd. €
In der oben verlinkten und unten einsehbaren Karte sind die einzelnen Investitionsvorhaben und deren regionale Verteilung zu sehen. Die Positionierung der Vorhaben ist nicht immer exakt, um bei mehreren Investitionen in einer Stadt eine bessere Übersichtlichkeit herzustellen. Im Falle von Investitionen, die sich nicht auf einen Ort spezifizieren lassen, wie z. B. Netzausbauprojekte, wird der ungefähre geografische Mittelpunkt genommen. Durch ein Klicken auf die einzelnen Marker lassen sich Informationen zu den beteiligten Firmen, der Art der Investition, dem Industriezweig und der Höhe (inklusive eventuellen Subventionen) anzeigen.
Methodik
Zunächst wird geprüft, ob es neben der bloßen Ankündigung auch konkrete Informationen darüber gibt, ob seitens des Unternehmens eine finale Investitionsentscheidung getroffen wurde oder ob es sich lediglich um eine vage Planung handelt. Sollte dies nicht der Fall sein, dienen konkrete Pläne, die aufzeigen, wo, wann und in welchem Ausmaß die Investition realisiert werden soll, als Indikator. Im Falle eines Vertragsabschlusses ist eine hinreichend sichere Absicht zur Erfüllung dieser Verträge erforderlich.
Wenn bisher keine endgültige Baugenehmigung erteilt wurde, so sollte ein Bekenntnis der relevanten politischen Entscheidungsträger:innen auf den jeweils zuständigen Ebenen (Kommunen, Länder, Bund) zu dem Vorhaben vorliegen. Gleiches gilt für die Haltung der zuständigen Behörden, wie den Landesämtern für Umwelt. Ebenso kann eine Aufnahme trotz fehlender endgültiger Baugenehmigung erfolgen, wenn Grundstücke bereits erworben wurden, bauvorbereitende Maßnahmen getroffen werden oder das Unternehmen bereits mehrere Vorhaben in ähnlicher Höhe umgesetzt hat.
Auf zivilgesellschaftlicher Seite berücksichtigen wir außerdem, ob es Bürgerinitiativen gibt, die die Realisierung der Vorhaben noch aufhalten können. Da sich dies jedoch schwer bemessen lässt, haben wir uns darauf konzentriert, ob es noch ausstehende Bürgerentscheide gibt. Wenn dies der Fall ist, wird eine Investition nicht aufgenommen, bis das Ergebnis feststeht.
Eine Zusage staatlicher Subventionen führt direkt zu einer Aufnahme in das Datenset.
Die tatsächliche Realisierung dieser Vorhaben in der Zukunft ist jedoch nicht sicher, da in der Vergangenheit auch trotz der genannten Punkte Investitionen aufgeschoben oder nachträglich abgesagt wurden. Eine ausführliche Beschreibung der Methode findet sich hier.
Der Investitionstracker wird laufend aktualisiert. Änderungen der Methodik, z. B. eine Erweiterung der betrachteten Branchen, kommunizieren wir auf dieser Seite.
Einordnung der Zahlen
Ein vollständiges Bild über die zukünftige Investitionstätigkeit in Deutschland lässt sich mit den hier erfassten Daten nicht zeichnen. Das liegt vor allem daran, dass wir lediglich Ankündigungen über 100 Mio. € erfassen. Zudem werden die Daten von Ausreißern dominiert, sodass die Aufteilung der Vorhaben nach Branchen sowie nach Regionen (Ost/West) mit Vorsicht zu interpretieren sind. Auch lassen die Daten keinen direkten Schluss über die Investitionstätigkeit und die wirtschaftliche Entwicklung in der kurzen Frist zu, denn die erfassten Vorhaben haben Realisierungszeiträume von bis zu 10 Jahren. In der amtlichen Statistik werden diese Zahlen deshalb erst in den kommenden Jahren auftauchen.
Eine Kausalität zwischen den aktuellen politischen Entscheidungen und der Ankündigung einer Investition besteht ebenso nicht zwangsläufig. So werden Subventionszusagen in einigen Fällen sicherlich eine Rolle spielen, gleichzeitig gehen jedoch gerade bei sehr großen Investitionsvorhaben teils mehrere Jahre an Vorarbeit und Planung voraus.
Vergleichbarkeit mit anderen Ländern
Damit sich die Zahlen besser einordnen lassen, wäre eine Vergleichbarkeit mit anderen Ländern hilfreich. Ein Problem ist dabei jedoch, dass andere Tracker mit ähnlichem Anliegen keine Wahrscheinlichkeitsprüfung vornehmen oder einen anderen Fokus setzen. Beispielsweise werden bei dem „Investing in America“-Tracker der US-Regierung sämtliche Ankündigungen aufgenommen, seit Beginn der Biden-Harris Regierung, unabhängig davon, wie realistisch deren Umsetzung scheint. Laut diesem gab es in dem Zeitraum Ankündigungen in Höhe von 614 Mrd. $, was 2,5 Prozent des US-BIPs entspricht, verteilt über mehrere Jahre. Im Gegensatz dazu stellen die 86 Mrd. € in Deutschland seit Beginn 2023 2,2 Prozent des BIPs dar. Auch wenn ein direkter Vergleich – wie oben beschrieben – nicht möglich ist, so lässt sich doch grob sagen, dass Deutschland hier im internationalen Vergleich mithalten kann.
Um über unsere weiteren Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu bleiben, abonniert gerne unseren Newsletter.
Hat dir der Artikel gefallen?
Teile unsere Inhalte