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14. January 2021
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Dezernat Zukunft

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Geldbrief

Einigkeit bei CDU-Vorsitz

6 min Lesezeit
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Alle drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind sich einig: Deutschland soll zurück zu ausgeglichenen Haushalten. Doch in ihrem Weg dorthin unterscheiden sich Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. In diesem Dezernatsbrief diskutieren wir ihre fiskalpolitischen Vorstellungen.

Zusammengefasst:

  • Merz für Schuldenbremse ab 2022, Schuldenquote bei 60% des BIPs bis 2030
  • Laschet für Schwarze Null für Bund und Länder ab 2024
  • Röttgen gegen Schwarze Null „als Dogma“

Auf welches Pferd setzt die CDU in Zukunft, um aus den Schulden herauszuwachsen? Exporte sind volatil, privater Konsum unsicher. Den staatlichen Konsum hätte sie jedoch in der Hand. Quelle: Destatis[1], Dezernat Zukunft

Wo stehen Laschet, Merz, Röttgen fiskalpolitisch?

Am Samstag entscheiden sich die 1001 Delegierten beim digitalen CDU-Parteitag auch für eine Vision künftiger Fiskalpolitik. Alle drei Kandidaten lassen sich in ihren Formulierungen Spielraum – daher ein paar klärende Worte vorab, vor allem bezüglich des Unterschieds zwischen Schuldenbremse und Schwarzer Null.

Die Schuldenbremse auf Bundesebene erlaubt eine jährliche „strukturelle“ Neuverschuldung von 0,35% des nominellen Bruttoinlandsprodukts. Dies entspricht rund zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Zusätzlich erlaubt sie Mehrausgaben im Abschwung. Selbst mit aktivierter Schuldenbremse darf sich der Bund also verschulden.

Die „Schwarze Null“ bezeichnet dagegen den Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen im jährlichen Bundeshaushalt: Auf den ersten Blick also ein Korsett, das rund ein Dutzend Milliarden (oder im Abschwung mehr) enger greift als die Schuldenbremse.  Doch auch mit der Schwarzen Null ist es möglich Schulden zu machen, zum Beispiel durch die Nutzung von Sondervermögen oder Entnahmen aus Rücklagen. Beide Posten sind nicht Bestand des jährlichen Bundeshaushalts.

Ginge es nach Armin Laschet sollten Bund und Länder ab 2024 wieder ausgeglichene Haushalte — also die Schwarze Null—ausweisen. Auch Friedrich Merz hält die Schwarze Null perspektivisch für erreichbar. Wichtig ist ihm jedoch, dass ab dem Jahr 2022 die Schuldenbremse wieder greift. Darüber hinaus soll bis 2030 die „explizite, sichtbare öffentliche Verschuldung“[3] auf 60 % des Bruttoinlandsproduktes zurückgeführt werden. Ausweichend bis kreativ zeigt sich Norbert Röttgen: Er will die verfassungsrechtlichen Spielräume der Schuldenbremse nutzen, fordert aber keine generelle Abkehr von der Schwarzen Null. Gleichzeitig dürfe diese jedoch „nicht zum Dogma werden.“

Es bleibt unklar, ob Laschet sich vorbehält, mit kreativem Rechnen den Haushalt definitorisch auszugleichen. Ebenfalls ist nicht zu erkennen, welche verfassungsrechtlichen Spielräume Röttgen anspricht — ob es zum Beispiel um die bereits viel genutzten Rücklagen, eine ausgelagerte Kreditaufnahme oder finanzielle Transaktionen geht. Unsererseits würden wir ihm die Anpassung der Konjunkturkomponente wärmstens ans Herz legen. Am klarsten ist Merz‘ geplante Rückführung der Schuldenstandsquote. Doch diese ist ein Langzeitziel, zweieinhalb Legislaturperioden entfernt.

Aus den Schulden herauswachsen?

Alle drei Kandidaten lassen Ausgabenkürzungen als Option auf dem Tisch, um öffentliche Haushalte in Zukunft auszugleichen. Merz bringt zusätzlich ein Moratorium für die Gesamthöhe der Sozialausgaben ins Spiel. Bezüglich einer Erhöhung der Einnahmen erteilen Laschet und Röttgen höheren Steuern eine Absage, während Merz offen bleibt. Doch der Königsweg, um Kürzungen zu vermeiden, bleibt für alle drei die Möglichkeit, aus den Schulden herauszuwachsen.

Merz äußert sich dazu nicht konkret. Laschet argumentiert[3], dass die Schwarze Null durch Wirtschaftswachstum und ohne Steuererhöhungen zurückkomme. Für die Zeit nach der Pandemie fordert Röttgen eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik mit deren Steuermehreinnahmen die öffentlichen Haushalte konsolidiert werden.

Doch wo soll dieses Wachstum herkommen? Grundsätzlich braucht es dafür zwei Zutaten: wirtschaftliche Kapazitäten und genügend Nachfrage. Merz betont Bürokratieabbau und Open Data in der Verwaltung, Laschet wünscht sich bis 2030 die „modernste digitale Infrastruktur“ und Röttgen spricht von Investitionen in Radwege, Schienen, Straßen und Digitales. Laschet und Merz betonen außerdem Startup-Förderung, alle drei setzen zusätzlich auf Bildung und Forschung. Wenn diese Programme im Rahmen eines tendenziell ausgeglichenen Haushalts stattfinden, mögen sie zwar die Kapazität der deutschen Wirtschaft stärken. Doch welche Nachfrage soll diese Kapazitäten abrufen?

Das Problem mit der Nachfrage

In einer offenen Volkswirtschaft gibt es drei Nachfragequellen: Konsum, Investitionsnachfrage und der Weltmarkt, sprich Exporte. Da die Schuldenbremse und die Schwarze Null — welche alle drei Kandidaten in gewisser Form befürworten — öffentlichen Konsum und staatliche Investitionen begrenzen, setzen die Kandidaten (zumindest implizit) in Sachen Nachfragewachstum auf privaten Konsum, Privatinvestitionen sowie Exporte.

Dies gibt uns zu denken auf. Denn ein permanenter Exportüberschuss hat signifikante ökonomische und politische Folgen: Wenn unsere Handelspartner immer mehr Geld ausgeben als sie einnehmen, müssen sie sich immer weiter verschulden, um die Exporte zu finanzieren. Das rekordverdächtige griechische Leistungsbilanzdefizit 2007 von 14,8% war somit auch eine Folge deutscher Wirtschaftspolitik. Die pro-europäische Ausrichtung aller drei Kandidaten wird sich daher auch an ihrem Interesse an Stabilität in der Eurozone messen lassen.

Privater Konsum kann (in Wachstumsphasen) sehr wohl Wachstum generieren (siehe Grafik). Aber gerade seit der Finanzkrise von 2008 sind Median-Einkommen eingebrochen. Während der Corona-Pandemie haben untere Einkommensgruppen, die eine hohe Konsumneigung haben, erneut eingebüßt.

Bleiben private Investitionen. Private Investitionen erfordern oft Kreditaufnahme. Aus der Corona-Krise hoch verschuldete Unternehmen werden sich jedoch schwertun, Kredite zu bekommen. Und schon seit Jahren straucheln private Investitionen in Deutschland, weil der Staat nicht ausreichend öffentliche Infrastruktur bereit stellt. Dass alle drei Kandidaten digitale Infrastruktur ausbauen wollen, ist daher ein Silberstreif am Horizont.

Verstärkter öffentlicher Konsum könnte nachhaltig die Nachfrage stabilisieren (siehe Grafik) und zum nötigen Wachstum beitragen. Doch reichen eine Ganztagsbetreuungsgarantie für alle Kinder bis zum zwölften Lebensjahr (Vorschlag Merz), mehr Erzieherinnen und Erzieher (Vorschlag Röttgen) und Nachqualifizierung aller Menschen bis 40 Jahre (Vorschlag Laschet) aus, um die unsichere private Nachfrage auszugleichen?

Wenn wir also eine Frage an die Kandidaten richten könnten, dann wäre es: Wie und womit wollen Sie die Nachfrage sichern, die unser volles wirtschaftliches Potential ausschöpft?

PS: Wir waren wieder in der Presse! Die Frankfurter Rundschau hat mit unserer Direktorin und Gründerin Philippa Sigl-Glöckner über die Schuldenbremse diskutiert.


Fußnoten

[1] Daten, Erklärung zur Berechnung der Wachstumsbeiträge, Seite 337

[2] Erster Punkt von Friedrich Merz‘ zehn Punkte Plan für einen neuen Generationenvertrag.

[3] Laschet unterlief dabei wohl ein Formulierungsfehler. Wir gehen hier davon aus, dass er sagen wollte, dass Steuermehreinnahmen ohne Steuererhöhungen möglich waren.

Der Dezernatsbrief ist ein zweiwöchentlicher Kommentar zu aktuellen Fragen der deutschen und europäischen Ökonomie. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns und erbitten deren Zusendung an info[at]dezernatzukunft.org


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