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26. November 2021
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Vera Huwe

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Papers

Effektiv und mehrheitsfähig? Der Emissionshandel auf dem Prüfstand

3 min Lesezeit
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VERA HUWE, MAX KRAHÉ, PHILIPPA SIGL-GLÖCKNER

Große Teile der ökonomischen Forschung favorisieren die CO2-Bepreisung als Hauptinstrument der Dekarbonisierung. CO2-Bepreisung kann in Form einer CO2-Steuer oder eines Emissionshandels umgesetzt werden. Seit 2005 setzt die EU in der Klimapolitik auf den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) als Hauptinstrument. Der Emissionshandel spielt auch bei neuen Plänen der EU-Kommission für die Klimapolitik bis 2030 („Fit for 55“), zu welchen sich auch die mögliche Ampel-Koalition in Deutschland in ihrem Sondierungspapier bekennt, eine zentrale Rolle.[1]

Dieses Papier erläutert zunächst die theoretische Funktionsweise des Emissionshandels. Aufbauend auf der jüngsten empirischen Evidenz wird anschließend gezeigt, dass der Europäische Emissionshandel bisher das Ziel verfehlt hat, Europa auf einen mit der 1,5-Grad-Grenze kompatiblen Emissionspfad zu bewegen. Um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, wäre es notwendig, die Effektivität klimapolitischer Instrumente bedeutend zu erhöhen. Wenn am Emissionshandel als Hauptinstrument festgehalten werden soll, sind Anpassungen auf drei Ebenen gefragt: bei den politischen Vorgaben, bei der Umsetzung und in der Auswahl zusätzlicher Instrumente.

Ausblick über zentrale Handlungsfelder

Drei Anpassungen scheinen notwendig, um den Europäischen Emissionshandel in Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze zu bringen: erstens eine entsprechende Absenkung der Emissionsobergrenze; zweitens die zeitnahe und konsequente Behebung bisheriger Umsetzungsmängel, insbesondere durch ein Abschmelzen des historischen Zertifikatsüberschuss sowie bestehender Ausnahmeregelungen; drittens die Flankierung des Emissionshandels durch zusätzliche Instrumente, sowohl um die nötige Effektivität zu erreichen als auch um die Mehrheitsfähigkeit einer konsequenten Klima- und Nachhaltigkeitspolitik insgesamt zu sichern.

Im Zentrum unserer Analyse steht dabei folgende Tatsache: Eine 1,5-Grad-kompatible Verknappung der Zertifikate und konsequente Reform der Umsetzungsmängel würde zu erheblich höheren CO2-Preisen führen. Während die CO2-Preise lange unter 10 Euro lagen und erst vor kurzem auf über 50 Euro angestiegen sind (siehe Abbildung 2), müssten sie laut Literatur unter gewissen Vorannahmen im Jahr 2030 mindestens in der Größenordnung von 140 bis 6330 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent liegen (IPCC 2018) und danach weiter ansteigen. Faktoren wie fortbestehende fossile Subventionen erhöhen den notwendigen Preis, sofern diese nicht zeitnah abgebaut werden.

Doch selbst die Wirkung deutlicher CO2-Preissteigerungen bleibt unsicher. Es ist unwahrscheinlich, dass diese ausreichen, um den Übergang zu einer Wirtschaft ohne fossile Energien in der Kürze der verbleibenden Zeit herbeizuführen. Ein Bündel an ergänzenden Maßnahmen scheint daher notwendig, um Pfadabhängigkeiten und die tiefe strukturelle Abhängigkeit von fossilen Energien zu brechen. Neben Innovationsförderung wäre hierzu insbesondere das gezielte Auslaufenlassen fossiler Technologien und Infrastrukturen relevant.

Eine mehrheitsfähige Klimapolitik erfordert außerdem, dass sie Menschen nicht in existenzielle Nöte bringt. Um das im Kontext der CO2-Bepreisung zu gewährleisten, sollte neben bereits diskutierten Rückerstattungen, wie zum Beispiel einer Klimaprämie, auch sichergestellt werden, dass energiearme Haushalte Zugang zu emissionsfreien Alternativen erhalten, zum Beispiel durch ÖPNV-Ausbau oder Gebäudesanierungen. Um eine in einem umfassenderen Sinn sozial gerechte Klimapolitik zu entwickeln, bedürfte es jedoch einer tiefergehenden Neuausrichtung von Zielen und Instrumenten, was den Rahmen dieses Papiers übersteigt.


Fußnoten

[1] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_21_3541


Im Rahmen unseres Fiskalprojekts werden wir ein Konzept für eine zielorientierten Fiskalpolitik entwickeln, die allen dient. Konkret geht es um eine einfachgesetzliche Reform der Schuldenbremse, die nachhaltige Investitionen ermöglicht. Unser fiskalpolitisches Ziel heißt Vollbeschäftigung. Im Laufe der kommenden Monate werden an dieser Stelle Paper mit konkreten Reformvorschlägen zu finden sein. Um über unsere Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu bleiben, abonniert gerne unseren Newsletter.

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