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30. August 2023
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Janek Steitz

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Fachtexte

Implikationen langfristiger Energiekostenunterschiede für energieintensive Industrien und den Wirtschaftsstandort Deutschland

4 min Lesezeit
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Janek Steitz, Axel Kölschbach Ortego

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Im Auftrag des Dezernat Zukunft haben IW Consult und Frontier Economics in einer neuen Studie (Bähr et al. 2023) untersucht, wie sich Energiekosten im In- und Ausland langfristig entwickeln werden und welche wirtschaftlichen Implikationen dies für die inländischen energieintensiven Industrien und den Wirtschaftsstandort Deutschland grundsätzlich haben wird. Dieser Policy Brief fasst die wesentlichen Ergebnisse der Studie zusammen und ergänzt sie um politische Handlungsempfehlungen des Dezernat Zukunft. Im Anhang wird außerdem auf die Ausgestaltung einer temporären Strompreisentlastung eingegangen.

Die Kernergebnisse der beauftragten Studie sind: Erstens: Deutschland wird – anders als derzeit oft behauptet – auch langfristig nach 2030 wahrscheinlich substanzielle Energiekostennachteile gegenüber anderen Industriestandorten haben. Diese Kostennachteile haben zufolge, dass die energieintensive Grundstofferzeugung in Deutschland nur zu Mehrkosten möglich sein wird. Zweitens: Nachgelagerte Wirtschaftszweige werden empfindlich auf die Kostenaufschläge mit Erhöhung von Vorleistungsimporten und Auslandsverlagerung reagieren. Drittens: Ohne Gegenmaßnahmen und isoliert betrachtet droht der deutschen Wirtschaft so ein Wohlfahrtsverlust von 1,7 bis 4,5 Prozent über zehn bis 15 Jahre. 1,7 Millionen Arbeitsplätze sind bedroht – vor allem in weiterverarbeitenden Branchen.

Ein Maßnahmenbündel kann den Effekt abfedern. Das Bündel sollte horizontale, produktivitätssteigernde Standortpolitik mit gezielten vertikalen Eingriffen verbinden, ohne dabei bestehende Industriestrukturen zu konservieren. Die Reduktion der Energiesystemkosten sollte oberste Priorität haben. Dabei spielt auch die Erhöhung energieintensiver Vorleistungsimporte eine zentrale Rolle spielen. Gleichzeitig muss eine „Sockelkapazität“ an Grundstofferzeugung in Deutschland gesichert werden – dies erfordert gezielte staatliche Hilfen.

Welche Studie liegt dem Policy Brief zu Grunde?

Die zugrundeliegende Studie „Die Zukunft der energieintensiven Industrien“ wurde von unseren Partnern IW Consult und Frontier Economics erarbeitet. In einem ersten Schritt hat Frontier Economics die internationalen Gestehungskosten für erneuerbaren Strom und Wasserstoff für ausgewählte Industriestandorte in den Jahren 2025, 2030 und 2045 geschätzt, um darauf aufbauend zukünftige Unterschiede zwischen inländischer und ausländischer Grundstoffproduktion zu berechnen. In einem zweiten Schritt hat IW Consult, basierend auf einer Umfrage unter Abnehmern grundstoffintensiver Vorleistungen sowie basierend auf den Ergebnissen der Energie- und Grundstoffkostenschätzungen des ersten Schritts, wirtschaftliche Effekte für die betrachteten energieintensiven Industrien, nachgelagerte Fokusbranchen und den gesamten Standort dimensioniert.

Warum haben wir dieses Policy Brief geschrieben?

Wir sind überzeugt, dass die Transformation in der durch die Klimaziele vorgegeben Zeit nur dann gelingen kann und gesellschaftlich akzeptiert wird, wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland im Zuge der Transformation erhalten bleibt. Gleichzeitig erfordert eine gangbare Transformation einen effizienten Transformationspfad, der die Mehrkosten möglichst begrenzt. Deshalb versuchen wir in diesem Projekt langfristige Entwicklungen zu verstehen, um den Politikrahmen von heute schrittweise darauf anpassen zu können.  In dem Policy Brief haben wir unsere Erkenntnisse aus der 170-seitigen Hauptstudie kondensiert und auf der Basis der Ableitungen der Studie grobe Handlungsempfehlungen skizziert. Diese Handlungsempfehlungen – sowie eine Diskussion zur Ausgestaltung einer temporären Strompreisentlastung – gehen über die Ableitungen der Studie hinaus und spiegeln ausschließlich die Meinung des Dezernat Zukunft wider.

Was haben wir gelernt?

Die Studienergebnisse unterstreichen den enormen Handlungsdruck. Anders als derzeit von vielen behauptet, verdeutlicht die Studie, dass Deutschland auch mit zunehmenden Anteilen erneuerbarer Energien im internationalen Vergleich wahrscheinlich merkliche Kostennachteile haben wird. Denn für die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht der absolute Wert der inländischen Erzeugungskosten ausschlaggebend, sondern wie sich die inländischen zu den ausländischen Energiekosten verhalten werden. Der Großteil der betrachteten internationalen Standorte hat strukturell bessere Standortbedingungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien.

Gleichzeitig weitet die Studie den Fokus der derzeitigen Diskussion: Die Zukunft der energieintensiven Industrien wird primär durch die Anpassungsreaktionen der Nachfrager determiniert. Hier verdeutlichen die Ergebnisse, dass einerseits ein großer Anteil der weiterverarbeitenden Industrien nicht auf inländisch produzierte Grundstoffe angewiesen ist und die Erhöhung von Importen als notwendige Strategie zur Standortsicherung sieht. Andererseits wird auch klar, dass es einen kleineren, aber dennoch bedeutenden Anteil gibt, der aufgrund von Vernetzungseffekten auf die regionale Bereitstellung von Grundstoffen angewiesen ist. Daraus leiten wir die Notwendigkeit der Sicherstellung einer inländischen „Sockelkapazität“ ab.

Die Studie lenkt zudem den Fokus auf die ungenutzten Potenziale der Pufferung von höheren Energiekosten. Denn: Je besser zukünftige Energiekostenunterschiede durch geringe Systemkosten sowie höhere Effizienz, Flexibilität und Produktivität entlang ganzer Wertschöpfungsketten gepuffert werden können, desto geringer die Notwendigkeit mit höheren Importen und Auslandsverlagerung zu reagieren.

Die Studie kann nur der Auftakt einer größeren Diskussion sein, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland in einer klimaneutralen Welt aussehen wird. Im Kontext der Studienerarbeitung wurden einige Punkte identifiziert, die es weiter zu erforschen gilt. Dazu gehört z.B. das Potenzial flexibler Produktionsprozesse in energieintensiven Produktionsprozessen sowie die genauere Schätzung der Höhe von Verzerrungseffekten, die von Strompreissubventionen ausgehen.

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