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14. März 2025
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Florian Schuster-Johnson

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Geldbrief

Sondergeldbrief: Lücke zu, Durchblick tot

Lesedauer: 7 min
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Florian Schuster-Johnson, Philippa Sigl-Glöckner

CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich auf den letzten Metern auf ein milliardenschweres Fiskalpaket geeinigt. In diesem Geldbrief analysieren wir, ob das Paket die Lücke im Bundeshaushalt schließt und ob es die notwendigen Investitionsbedarfe in Deutschland finanzieren kann. Die Antwort ist: „Ja, aber“. Die nächste Bundesregierung sollte mit dem Haushalt klarkommen, für zusätzliche Ausgabewünsche gibt es aber wenig Spielraum. Der Preis des Pakets sind zunehmend komplexe, kaum mehr nachvollziehbare Bundesfinanzen.

Dieser Geldbrief basiert auf den bis 14.03.2025, 18 Uhr öffentlich bekannten Informationen. Ein Gesetzentwurf lag uns nicht vor. Aufgrund der Komplexität der Regelungen können kleine Unterschiede in Formulierungen zu wesentlich anderen Ergebnissen führen.

Eine gute Nachricht zum Freitagabend: CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich auf ein Fiskalpaket geeinigt – und zwar eines, das weiterhilft: Ausgaben für Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste sowie die Ukraine-Unterstützung jenseits von einem Prozent des BIP werden von der Schuldenbremse ausgenommen. Ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro soll über zwölf Jahre Investitionen in Infrastruktur und für Klimaneutralität bis 2045 finanzieren; davon gehen je 100 Mrd. Euro an die Länder und in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Die Mittel des Sondervermögens dürfen nur verwendet werden, wenn auch aus dem Kernhaushalt zehn Prozent des Geldes für Investitionen ausgegeben wird. Die Länder bekommen außerdem einen jährlichen Verschuldungsspielraum von 0,35 Prozent des BIP.

Unser Fazit: Für den Haushalt der kommenden Bundesregierung ist das Paket eine gute Nachricht, ebenso für die Bundeswehr und für Investitionen. Nach den deutschen Regeln steht nun erstmal viel Geld zur Verfügung. In den kommenden Jahren dürften die europäischen Schuldenregeln, nicht die Schuldenbremse, das einschränkende Regelwerk sein.  Schwierig wird die Finanzierung der Sondierungsergebnisse von Schwarz und Rot. Und für das kommende Jahr bleibt eine Großaufgabe, aber dazu später mehr…

Woher kommt die Lücke?

Im Bundeshaushalt klafft in den nächsten Jahren eine große Lücke. Sie erklärt sich aus schlechteren Steuereinnahmen und höheren Sozialleistungen, weil die Wirtschaft schlecht läuft, und einer Reihe von ungelösten Haushaltskonflikten der früheren Ampel-Koalition. So fehlen 2026 allein knapp 40, 2028 schon ganze 60 Mrd. Euro.

Wenig besser sieht es im KTF aus, dem klimapolitischen Schlachtross der Ampel. In dessen Wirtschaftsplan fehlen in den nächsten vier Jahren rund 30 Mrd. Euro. Programme zur Gebäudeförderung, Industrietransformation oder für klimafreundliche Mobilität sind also chronisch unterfinanziert.

Das Sondierungspapier setzt noch einen drauf: Steuern auf Strom, Unternehmensgewinne, Arbeitseinkommen und Speisen in der Gastro sollen runter, die Mütterrente rauf, eine neue E-Auto-Prämie und eine Aktivrente sollen ebenfalls kommen. Selbst wenn man bei Steuersenkungen eine schrittweise Einführung annimmt, kosten die Sondierungsergebnisse im Jahr 2026 rund 51 Mrd. Euro.

Hinzu kommen zusätzliche Finanzbedarfe für bislang nicht im Haushalt eingeplante Maßnahmen. Wie wir im letzten Jahr in einer großen Studie geschätzt haben, fehlen dem Bund pro Jahr rund 70 Mrd. Euro für zusätzliche Investitionen in Straßen, Schienen, Dekarbonisierung und anderes. Die Bundeswehr braucht noch mal 35 Mrd. Euro jährlich mehr für die militärische Infrastruktur und neues Personal.

Summa summarum: Die neue Regierung braucht dringend viel Geld, das sich nicht annähernd (und schon gar nicht so schnell) durch Einsparungen im Haushalt auftreiben lässt. Deswegen schnürten Union und SPD, schlussendlich im Schulterschluss mit den Grünen, ein großes Fiskalpaket. Wie viele dieser Bedarfe finanziert es?

Was im Fiskalpaket steckt

Abbildung 1

Die gute Nachricht zuerst: Mit dem Bundeshaushalt sollte die schwarz-rote Koalition in der nächsten Legislaturperiode klarkommen (siehe erster Balken für jedes Jahr, der komplett schraffiert ist und eine geschlossene Haushaltslücke anzeigt). Die Bedarfe der Bundeswehr sind durch die umfassende Ausnahme für Verteidigungs- und artverwandte Ausgaben von der Schuldenbremse kein Problem mehr (siehe jeweils letzter Balken). Der so freiwerdende Platz im Haushalt sorgt dafür, dass die Lücke geschlossen wird. Das ist für sich genommen positiv, denn eine weitere Regierung, die nicht mit ihrem Haushalt klarkommt, wäre ein Stabilitätsrisiko für Deutschland und ein Konjunkturprogramm für die AfD. Dazu würden fast zwangsläufig die Investitionen leiden, die man im Gegensatz zu anderen Ausgaben kurzfristig wegkürzen kann. Ähnlich gut steht es auch um die Unterfinanzierung des KTF, die größtenteils ausgeglichen werden wird (jeweils dritter Balken), wenn aus dem Sondervermögen insgesamt 100 Mrd. Euro den Fonds auffüllen.

Die schlechte Nachricht für Schwarz-Rot: Für die teuren Sondierungsergebnisse fehlt bisher weitgehend das Geld (jeweils zweiter Balken) – zumindest ohne entsprechende Einsparungen, die sich im Sondierungspapier aber nicht finden. Konkrete Sparvorschläge werden nur beim Bürgergeld und der Migrationspolitik gemacht. Selbst wenn man an die betreffenden Posten im Finanzplan den Rasenmäher ansetzen würde, z. B. mit einer pauschalen Kürzung um 20 Prozent, ergäbe das Einsparungen von rund zehn bis 15 Mrd. Euro – wesentlich weniger als die „Sondierungslücke“.

Um die Investitionslücke zu adressieren, ist das Fiskalpaket kurzfristig eine gute Antwort. Das verfügbare Geld steht zwar für zwölf Jahre zur Verfügung, kann aber auch schneller verausgabt werden. Würden die Mittel in der kommenden Legislaturperiode abfließen, könnten alle Investitionsbedarfe finanziert werden.

Die Regelung, dass gleichzeitig im Kernhaushalt eine zehnprozentige Investitionsquote – wohlweislich ohne finanzielle Transaktionen, also Darlehen oder Beteiligungen des Bundes – eingehalten werden muss, verhindert den klassischen Verschiebebahnhof: Investitionen im Kernhaushalt werden nicht in großem Stil in das Sondervermögen verlagert. Das würde im Haushalt Spielräume für die Sondierungswünsche schaffen, aber keine tatsächlich zusätzlichen Investitionen erlauben. Mittelfristig werden aber weder das Geld reichen noch der Modus “Sondervermögen” ein geeigneter sein, um die Investitionslücke möglichst effizient zu schließen. Öffentliche Investitionen sind kein Sonderfall, sondern gehören zu den Kernaufgaben des Staates.

Kurzum: Schwarz-Rot bekommt einen funktionierenden Haushalt, die Grünen einen auskömmlich gefüllten KTF. Für die Sondierungswünsche wird es eng, bei den Investitionsbedarfen kommt Deutschland voran. So weit, so gut. Aber all das hat einen Preis: Der besteht im übrigens nicht in einem Verlust der deutschen Kreditwürdigkeit oder einer explodierenden Schuldenquote, wie wir in einem neuen Papier zeigen. Der Preis ist die zunehmende Komplexität der Bundesfinanzen.

Die Chronologie des Regelchaos

Die folgende Grafik versucht einen Überblick über die zahlreichen Vorgaben zu geben, denen die deutschen Staatsfinanzen zukünftig unterliegen dürften. Wie konnte es zu diesem Regelchaos kommen?

Abbildung 2

Eigentlich sollte es einen konsolidierten Bundeshaushalt geben, für den das Grundgesetz einen Regelrahmen vorgibt. Ursprünglich reichten dafür zehn Zeilen: Artikel 115 im Grundgesetz von 1949 erlaubte Kredite nur für außerordentlichen Bedarf, zu werbenden Zwecken und verlangte eine gesetzliche Grundlage für jede Kreditausgabe.

In den 1990er Jahren kamen europäische Schuldenregeln hinzu, auf Betreiben Deutschlands wurden sie später um den Stabilitäts- und Wachstumspakt erweitert. 2009 passte man das deutsche Grundgesetz daran an, aus den Artikeln 109 und 115 im Grundgesetz wurde die sogenannte „Schuldenbremse“. Sie sollte dafür sorgen, dass die europäischen Regeln sicher eingehalten werden. 

Als 2021 klar wurde, dass die Dekarbonisierung so nicht finanzierbar ist, versuchte die Bundesregierung, den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Spardose für Investitionen zu machen – und scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Der KTF als Sondervermögen blieb bestehen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine brauchte die Bundeswehr 2022 schnell Geld. Die Ampel und die Union einigten sich auf ein Sondervermögen Bundeswehr über 100 Milliarden Euro – verteidigungsbezogene Investitionen fielen fortan nichtmehr unter die Schuldenbremse.

2024 reformierte die EU ihre Schuldenregeln: Sie orientieren sich nun an der mittelfristigen Schuldenentwicklung statt am jährlichen Defizit. Damit muss Deutschland zwei komplexe Regelwerke befolgen, die komplett unterschiedlichen Logiken folgen.

2025, Bundestagswahl: Union und SPD stehen vor einem Haushaltsloch, dringlichen Finanzbedarfen für die Bundeswehr und einer über die Jahre gewachsenen Investitionslücke. Sie beschließen noch mit dem alten Bundestag das Grundgesetz ändern zu wollen und einigen sich mit den Grünen – Stand 14.3.2025, 17:00 Uhr – auf eine breitgefasste Ausnahme aller Verteidigungsausgaben über einem Prozent des BIP von der Schuldenbremse, ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro für Infrastruktur, Klimaschutz und Länderfinanzierung, das je nach genauem Gesetzeslaut mehr oder weniger zusätzlich zum Haushalt sein wird, und darauf, die zufällige Neuverschuldungsgrenze des Bundes von 0,35 Prozent jetzt auch auf die Länder anzuwenden.

Die Lösung ist nicht verwinkelter als andere politische Kompromisse – nur: im Grundgesetz hat so etwas nichts zu suchen. Die für 2025 geplante Reform der Schuldenbremse ist die Chance, das Chaos zu beenden. Statt sich in Sonderregelungen zu verheddern, könnte das Grundgesetz einfach vorschreiben, dass Deutschland die europäischen Regeln einhält. Das schafft man vielleicht sogar in weniger als zehn Zeilen.

Unsere Leseempfehlungen:

  • Warum die Reaktion der Finanzmärkte auf das Fiskalpaket eher Applaus als ein Schlag auf die Finger sind, haben wir in einem neuen Hintergrundpapier analysiert.

Der Geldbrief ist unser Newsletter zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- Fiskal- und Geldpolitik. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns. Zusendung an florian.schuster-johnson[at]dezernatzukunft.org


 

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