Image
27. November 2025
 / 

Florian Schuster-Johnson

 / 
 / 
Geldbrief

Sinnvoll sparen

Lesedauer: 7 min
[wp_dark_mode_switch style="3"]

Dr. Florian Schuster-Johnson

Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt: Bis 2026 kommt die Bundesregierung mit dem Geld klar, doch danach wird es eng. Ideen, wie die historisch große Haushaltslücke geschlossen werden soll? Fehlanzeige. Wir zeigen in diesem Geldbrief, wie die Regierung sinnvoll sparen könnte. Und warum kein Weg an einer grundlegenden Reform des Bundeshaushalts und der Schuldenbremse vorbeiführt.

Morgen beschließt der Bundestag den Bundeshaushalt 2026 – ohne größere Konflikte, dem Fiskalpaket sei Dank. Doch nächstes Jahr geht es ans Eingemachte. In der Finanzplanung fehlen bis 2029 160 Milliarden Euro – noch nie musste eine Bundesregierung in so kurzer Zeit so viel sparen.

Mit Ideenreichtum sind die Koalitionäre dabei bisher nicht aufgefallen. Im Gegenteil: Der Koalitionsvertrag verspricht teure Geschenke – Gastro-Steuersenkung, Mütterrente, Agrardiesel – mit zweifelhaftem Nutzen für die Wirtschaft. Kürzungsvorschläge sind dagegen eher dürftig: ein bisschen weniger Entwicklungshilfe, Personalabbau und tagesformabhängig fünf bis 30 Milliarden Einsparungen, indem man bei Bürgergeldempfängern und Flüchtlingen härter durchgreift.

Vermutlich glaubt niemand, dass das so funktioniert. Mit den Vorschlägen lassen sich kurzfristig höchstens fünf Milliarden pro Jahr einsparen – der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Gut möglich, dass dann passiert, was in der Geschichte immer passierte: öffentliche Leistungen runter, Mehrwertsteuer rauf. Dass dabei die schon jetzt unter Nachfragemangel leidende Wirtschaft unter die Räder kommt, könnte bei aller Haushaltsdramatik zur Nebensache werden.

Will die Bundesregierung ab 2027 auch nur ansatzweise finanziell handlungsfähig sein, braucht es kein Schaufenstersparen, sondern – erstens – kurzfristig sinnvolle Umschichtungen im Haushalt. Aber: Lücken von 60 Milliarden pro Jahr werden sie nicht stopfen. Deshalb braucht die Regierung zweitens eine Langfriststrategie – und die heißt: den Bundeshaushalt auf Beschäftigung ausrichten, die man nicht dauerhaft subventionieren muss.

Sparmenü zum Mitnehmen

Was geht kurzfristig? Einige Punkte vom schwarz-roten Wunschzettel zu streichen, wäre zwar sinnvoll, wird aber politisch schwierig. Deswegen haben wir ein alternatives Sparmenü zusammengestellt, das rund zehn Milliarden Euro pro Jahr brächte:

  • Die Gebäudeförderung überfördert derzeit einkommensstarke Haushalte. Statt Sanierungskosten pauschal zu bezuschussen, könnte sie nur noch tatsächliche Mehrkosten gegenüber Standardlösungen fördern. Spareffekt pro Jahr: eine bis drei Milliarden. Ein Teil davon würde idealerweise die Förderung für ärmere Haushalte aufstocken.
  • Bei einigen Förderprogrammen im KTF, z. B. zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft oder zur Transformation der Industrie, fließt seit Jahren weniger als die Hälfte der Mittel ab. Zwar wird das Geld gebraucht, aber kurzfristig könnten die Ansätze etwa um ein Viertel abgesenkt und dafür Förderbedingungen verbessert werden. Spareffekt: zwei Milliarden.
  • Statt Strompreise zu subventionieren, könnte der Bund die Stromkosten senken, indem er sich zur Hälfte an Übertragungsnetzbetreibern beteiligt und mit der erwirtschafteten Nettorendite die Netzentgelte Spareffekt: eine Milliarde.
  • Der Kinderfreibetrag entlastet zurzeit besonders einkommensstarke Familien mit einer Pauschale von 3.000 Euro für Betreuung, Erziehung und Ausbildung, die wesentlich über den tatsächlichen Kosten liegt. Eine Reduktion auf 600 Euro bei steuerlicher Absetzbarkeit von höheren Aufwendungen brächte dem Bund pro Jahr: eine Milliarde.
  • Es lohnt sich, das Dickicht von Steuervergünstigungen und -befreiungen aufzuräumen. So würde eine Abschaffung der Privilegien für Hotels („Mövenpick-Steuer“) oder Verkäufer von nicht-selbstgenutzten Wohnimmobilien jährlich mindestens vier Milliarden bringen.

Sinnvolles Sparen ist ein Langstreckenlauf

Das ist zwar mehr als Peanuts, löst aber nicht das Grundproblem. Der Bundeshaushalt ist ein Reparaturbetrieb für den Arbeitsmarkt. Die Hälfte aller Bundesmittel fließt in die Subventionierung von Arbeitsplätzen, die es andernfalls nicht gäbe, Transfers, die zu niedrige Einkommen ausgleichen, und Zuschüsse in die gebeutelten Sozialversicherungen.

Besonders Subventionen für Unternehmen stiegen zuletzt massiv an. Statt noch ein Wunschförderprogramm hier oder einen Sondertopf da anzubauen, sollte der Haushalt einer strategischen Review unterzogen werden. Zielbild: Wachstum und unsubventionierte Jobs. Dafür braucht die Regierung einen langen Atem und krasse Disziplin, die länger hält als bis zum nächsten Koalitionsausschuss. Drei Beispiele:

  • Eine sinnvolle Reform von Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag (wie vom ifo vorgeschlagen) lockert die Hinzuverdienstregeln, damit es sich für Menschen lohnt, einen Job anzunehmen. Das bringt zunächst zwar nur zwei Milliarden im Jahr, zahlt sich mittelfristig aber durch mehr Steuer- und Beitragseinnahmen sowie geringere Transferbedarfe aus.
  • Innovation fördert der Bund zurzeit in unzähligen Miniprogrammen. Besser wäre es, Ziele zu definieren, Mittel zu bündeln und Förderungen geknüpft an konkrete Outputs (wie es die SPRIND tut) oder, indem der Bund selbst als Käufer innovativer Produkte auftritt, zu verausgaben. Man könnte so mit weniger Geld mehr erreichen und unsubventionierte Arbeitsplätze fördern.
  • Diesel- und Dienstwagenprivileg, Strompreissubventionen, Gastro-Steuer – mit Milliarden werden Jahr für Jahr ausgewählte Branchen subventioniert. Nicht mit allen gehen Bedingungen einher, selten gibt es verlässliche Ausstiegspfade. Sinnvollerweise würden diese Subventionen schrittweise reformiert und auf zukünftig selbsttragende Geschäftsmodelle ausgerichtet.

Wer keine Regel hat, braucht sich um Sparen nicht zu sorgen

Warum tut sich die deutsche Politik so schwer mit dem Sparen? Das hat etwas mit Anreizen zu tun und – ja, wir können es nicht lassen – mit der Schuldenbremse. Die war bislang nämlich keine besonders sparschlaue Schuldenregel.

Sie macht es der Regierung zu einfach. Gute Finanzpolitik heißt, zu beweisen, dass man die Zahlen einhält: 0,35 Prozent vom BIP plus Konjunkturkomponente mit zig Nachkommastellen. Solange alle Wahlgeschenke darunter passen, alles bestens. Und wenn die finanzielle Nachhaltigkeit darunter leidet? Der Schuldenbremse egal.

Eine schlaue Schuldenregel im Grundgesetz wäre grundsätzlicher: Die Politik muss nachhaltige Staatsfinanzen sicherstellen. Sie würde die Regierung verpflichten, diese Vorgabe in eine eigene finanzpolitische Regel zu gießen. Dann würde sie sich die nächste Strompreissubvention wohl noch mal überlegen. Und womöglich beginnen, sinnvoll zu sparen.

Unsere Leseempfehlungen: 

  • Für alle, die an effizienter und wachstumsorientierter Haushaltspolitik interessiert sind: Der IWF hat dieser Frage seinen neuesten Fiscal Monitor
  • Weil Wohl und Wehe des Bundeshaushalts im Arbeitsmarkt liegen: Das IAB hat in einem neuen Forschungsbericht analysiert, wie sich KI potenziell auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken könnte.
  • Ganz was anderes: Claudia Major und Carlo Masala mit einem analytisch scharfen, zum Nachdenken anregenden Plädoyer für eine neue, pragmatische deutsche Außenpolitik im Spiegel.

Medienbericht 27.11.2025

Medienerwähnungen und Auftritte

  • Rückblick
    • Am 20.11.2025 erschien ein Interview mit Philippa Sigl-Glöckner in der Börsen-Zeitung.
    • Am 23.11.2025 wurde Philippa Sigl-Glöckner in der SZ zur mangelnden Finanzierung von Schulen und Kitas zitiert.
    • In einer Studie von Agora Verkehrswende und dem Dezernat Zukunft wurden öffentliche Finanzierungsbedarfe für die bundeseigene Verkehrsinfrastruktur und die Förderung der Transformation der Automobilwirtschaft in Höhe von mindestens 390 Milliarden Euro bis 2030 und politische Handlungsempfehlungen ermittelt. Zur Studie veröffentlichten die SZ am 23.11.2025, tagesschau.de, Tagesspiegel Background, das Handelsblatt, der Spiegel, der Deutschlandfunk und FinanzNachrichten.de am 24.11.2025 jeweils einen Artikel.
    • Am 26.11.2025 erwähnte Pascal Reddig, Chef der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion in einem Streitgespräch mit Juso-Chef Philipp Türmer für den Spiegel [ab Minute 7:15] die DZ-Studie, der zufolge der frei verfügbare Anteil des Bundeshaushalts bis 2035 auf 3 Prozent sinken könnte.
  • Ausblick
    • Am 11.12.2025 stellen Agora Energiewende, die Stiftung Klimaneutralität und das Dezernat Zukunft eine Studie zur deutschen Landschaft der Energieversorgungsunternehmen vor, die ebenfalls Wege aufzeigt, wie zukunftsfähige Investitionen in Netze gelingen können. Die Veranstaltung findet von 10:30-13:15 Uhr in der Friedrichstraße 169, 10117 Berlin statt, die Teilnahme ist aber auch digital möglich. Hier geht es zum Programm, hier zur Anmeldung für die digitale und hier zur Anmeldung für die analoge Teilnahme. 
    • Am 17.12.2025 findet ab 19 Uhr das nächste Event der englischsprachigen Veranstaltungsreihe „Ideas of Energy“ statt, dieses Mal in der Chausseestr. 111, 10115 Berlin. Zum Thema „Energy and Climate“ wird Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sprechen und dabei besonders auf für den Kampf gegen die Klimakrise relevante Dynamiken, Kipppunkte und Gestaltungsmöglichkeiten eingehen. Hier geht es zur Anmeldung.

Der Geldbrief ist unser Newsletter zu aktuellen Fragen der Wirtschafts-, Fiskal- und Geldpolitik. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns. Zusendung an florian.schuster-johnson[at]dezernatzukunft.org


 

Hat dir der Artikel gefallen?

Show some love mit einer Spende
oder folge uns auf Twitter

Teile unsere Inhalte

Ähnliche Artikel aus unserem Archiv