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6. Dezember 2018
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Der Euro als internationale Reservewährung

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DEZERNAT ZUKUNFT

Gestern wiederholte Jean-Claude Juncker die Forderung aus seiner State of the Union Rede, die globale Rolle des Euros  zu stärken. Vorgestern haben sich die ökonomisch-historischen Koryphäen Christian Odendahl und Adam Tooze der Frage angenommen, ob der Euro dem US Dollar Parole bieten kann. Und seit 17 Jahren schreibt die EZB jährlich einen Bericht zur internationalen Bedeutung der Währung. Höchste Zeit, also, für ein paar erste Gedanken und Leseverweise von unserer Seite.

Der Weg zur Reservewährung—über Welthandel oder Finanzen?

Odendahl und Tooze betonen die Rolle des Dollars als globale Handelswährung: 80% der in Dollar abgerechneten Importe berühren nie den Boden der Vereinigten Staaten. Im Gegensatz dazu wird der Euro fast ausschließlich in Handelsbeziehungen, die mindestens ein Eurozonen Land einschließen, genutzt.

Aus der Dominanz des Dollars im Handel folgt für die Autoren die Dominanz des Dollars an den Finanzmärkten: Investoren brauchen Dollar Zertifikate, um ihre Währungsrisiken abzusichern und sichere Dollar Anleihen, da das ultimative Ziel des Besitzes von Safe Assets der Erwerb von Gütern und Services in der Zukunft sei.

Wir fragen uns, ob die Finanzmärkte selbst nicht eine stärker treibende Kraft sind, als gemeinhin angenommen: Globale US Dollar Liquidität, gemessen in Kredit von Banken an Nicht-Banken, wuchs seit 2008 um mehr als 90%, der globale Handel um weniger als 20%.

Der Anteil an FX Swaps und Forwards (Optionsscheine zur Absicherung von Währungsgeschäften), die in Dollar denominiert sind, übersteigt den Anteil des Dollars am Welthandel um ca. 50% und wächst weiterhin. Finanzfirmen halten Swaps und Forwards im Wert von 23 Bio. Dollar und damit mehr als viermal so viel wie nicht-finanzielle Firmen. Oft scheint auch der finale Zweck weniger der Erwerb eines Gutes und mehr die gewinnbringende Finanzanlage. So hielten Ende Q1 2017 allein Japanische Banken netto 1 Bio. Dollar in FX Swaps, die sie benötigten, um ihre in Dollar ausgegebenen Kredite auszuzahlen (die sie wiederum nach der Krise massiv aufgestockt hatten, um ihren Ertrag zu verbessern).

Der Euro als Finanzmarktwährung

Im Finanzmarktkontext ist der Euro momentan nicht konkurrenzfähig, aufgrund einer zentralen Schwäche: Bei der Konstruktion der Währung wurde ein zentraler Bestandteil—quasi die Hälfte des Produkts—vergessen. Während es neben Dollar Cash auch ein großes Angebot verzinster Dollar-Anleihen ohne Ausfallrisiko (Treasury Bonds) zu verschiedenen Laufzeiten gibt, sprich liquide, sichere Anlagen, existieren keine Eurobonds.[1] Theoretisch gesehen ist es sogar unmöglich, für die Anleihen von Eurozonenländern den Sicherheitsgrad von US Treasury Bonds zu erreichen, da—im Gegensatz zu den USA—Eurozonenländer nicht im Notfall die eigene Zentralbank anweisen können, fällig werdende Anleihen zu bedienen. Aber selbst wenn man alle Staatsanleihen in der Eurozone, die mindestens ein AAA Rating haben, als Treasury-gleichwertig sicher ansieht, gibt es im Vergleich zum Dollar zu wenig Safe Assets:

Sichere Anlagen sind nicht nur für höhere Finanzmarktmagie relevant: Große Unternehmen, wie zum Beispiel Apple, brauchen jene als Kontoersatz.[2] So hält Apple fast sechsmal so viele Staatsanleihen wie Bargeld.

Wollte Europa in die Produktion von sicheren Anleihen in (annährend) amerikanischen Größenordnungen einsteigen, würde das, wie Odendahl und Tooze beschreiben, eine fundamentale Veränderung unseres Wirtschaftsmodels erfordern.[3] Spätestens bei der Lektüre von Jeffry Friedens Essay zur frühen Monetären und Finanziellen Geschichte Amerikas wird einem bewusst, welche Anstrengung vor uns steht, wenn das Bestreben nach einem globalen Euro mehr als nur eine leere Forderung zur sein soll.

Reservewährung Euro—lohnt sich die Anstrengung?

Das wirft die Frage auf, ob das Projekt globaler Euro die Anstrengung wert ist. In unserer Einschätzung: ja. Odendahl und Tooze beschreiben zum Beispiel Sanktionen, die Europa schwer umgehen kann, solange die USA das Monopol auf das globale Zahlungsmittel halten. Ebenso ist Europa in der Bewältigung von Finanzkrisen auf Amerika angewiesen: Ohne die unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität durch die Fed in Form von Swap Lines wären zahlreiche europäische Banken in den Jahren 2008 und 2009 nicht in der Lage gewesen, ihren Dollarverpflichtungen nachzukommen, mit schwer abzusehenden Folgen (mehr hierzu gibt es in einem sehr hörenswerten Podcast von Matt Klein und Adam Tooze). Folgt man Zoltan Pozsar, hat sich die Funktionsweise der Banken im Zuge der Einführung von Basel III sogar so verändert, dass die Fed zum Zentralbanker der Welt geworden ist.

All das birgt Abhängigkeiten. Abhängigkeiten wiederum führen zu Verhandlungsungleichgewichten. Man kann in der jetzigen Lage nur hoffen, dass Trump die technischen Feinheiten der Zinssatzdivergenzen zwischen der USA und der Eurozone zu langweilig findet, um sie—so wie Unterschiede in der Handelsbilanz—als populistische Wortwaffen auf Twitter zu missbrauchen. Verlass ist darauf allerdings nicht. Allein aus geostrategischen Gründen scheint es uns daher die Anstrengung wert, die globale Rolle des Euros zu stärken.

Odendahl und Tooze sehen es ähnlich. Für sie ist Deutschland mit der Internationalisierung des Euros vor die Wahl gestellt, wie viel europäische Souveränität wir wirklich wollen. Auf den ersten Blick klingt dies nach einem Zielkonflikt zwischen nationaler Eigenständigkeit und dem größeren Projekt. Wie Wynne Godley jedoch bereits 1992 eindrucksvoll beschrieb, wurde die nationale Eigenständigkeit bereits mit der Währungsunion abgegeben. Die Frage ist nun ob man versucht, sie auf europäischer Ebene wiederzuerlangen.


[1] Abgesehen von einem sehr geringen Volumen an ESM und EU Anleihen

[2] Da die Einlagensicherung von Banken begrenzt ist, in Amerika z.B. bei 250.000 Euro, und sie kein Zentralbankkonto bekommen, benutzen Firmen wie Apple Treasury Anleihen um ihr Geld sicher und liquide zu halten, denn das Ausfallrisiko der US Treasury ist deutlich geringer als das einer Geschäftsbank.

[3] Ein ausführlicheres Argument wieso insbesondere die deutsche Exportwirtschaft und ein globaler Euro nur schwer zusammengehen findet sich bei Sebastian Dullien.

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